Rz. 675

Entschließt sich ein Arbeitgeber dazu, Aufgaben, die bisher im Betrieb durchgeführt wurden, an einen dritten Unternehmer oder an freie Mitarbeiter zur selbstständigen Durchführung zu übertragen, ist dies eine Unternehmerentscheidung, welche die ArbGe grds. bindet (vgl. BAG v. 7.3.1980, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 10.11.1994, EWiR 1995, 909 m. Anm. Heckelmann = WiB 1995, 555 m. Anm. Seitz; BAG v. 9.5.1996, NZA 1996, 1154; BAG v. 7.11.1996, ARST 1997, 38 = BuW 1997, 478; BAG v. 16.12.2004, AP Nr. 133 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Dazu zählen z.B. die Vergabe von Reinigungsarbeiten, die Auslagerung der Lohnbuchhaltung an einen Steuerberater oder die Küchenbewirtschaftung durch ein "Catering-Unternehmen".

 

Rz. 676

Derartige Entscheidungen können dazu führen, dass die Arbeitsplätze derjenigen Mitarbeiter, die bisher mit diesen Aufgaben betraut waren, wegfallen und ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine betriebsbedingte Kündigung entsteht. Der Arbeitgeber muss regelmäßig nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, Rn 21; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, Rn 17; HaKo/Gallner/Mestwerdt, § 1 Rn 749; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn 158; APS/Kiel, § 626 BGB Rn 318d; a.A. Däubler, in: FS Heinze, S. 121, 127). Die ArbGe überprüfen in diesen Fällen aber, ob das unternehmerische Konzept auch umgesetzt wird und die Aufgaben tatsächlich weggefallen sind (BAG v. 16.12.2004, AP Nr. 133 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).

 

Rz. 677

In der sog. "Weight-Watchers-Entscheidung" hat es das BAG als gerichtsfreie Entscheidung akzeptiert, dass betriebliche Aufgaben künftig nicht mehr durch angestellte Arbeitskräfte, sondern durch Selbstständige erbracht werden und die wegen des entfallenden Beschäftigungsbedarfes ausgesprochenen Kündigungen als sozial gerechtfertigt angesehen (BAG v. 9.5.1996 – 2 AZR 438/95, NZA 1996, 1145). Auch in der sog. "Moskito-Anschläger-Entscheidung" (BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06, NZA 2008, 878) hat das BAG diese Grundsätze bestätigt (vgl. auch Anm. Hilderink, Status: Recht 2008, 298).

 

Rz. 678

Im Gegensatz dazu stehen die sog. "Crewing-Entscheidung" (BAG v. 26.9.1996 – 2 AZR 20/96, NZA 1997, 202) und das sog. "Rheuma-Klinik-Urteil" (BAG v. 26.9.2002, NZA 2003, 549).

 

Rz. 679

In dem Fall, der der Crewing-Entscheidung zugrunde lag, übertrug der Arbeitgeber die Tätigkeit, die zuvor von dem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten Kapitän verrichtet worden war, gerade nicht einem Dritten (der ausländischen Crewing-Firma) zur selbstständigen Erledigung. Die Crewing-Firma sollte nämlich nicht die Schiffsführung übernehmen, sondern vielmehr nur das erforderliche Personal auswählen und zur Verfügung stellen. Der bisherige Reeder steuerte selbst nach wie vor unverändert den wirtschaftlichen Schiffsbetrieb, entschied über die Ladung, die Frachtraten und den Einsatz des Schiffes in Bezug auf den Terminplan und die anzulaufenden Häfen. Insoweit stand er im ständigen Kontakt zum Kapitän des Schiffes und erteilte diesem die für die Umsetzung der Entscheidungen notwendigen Informationen und Weisungen. Der Kapitän blieb infolgedessen in den (Schiffs-) Betrieb des Reeders eingegliedert. Die ausländische Crewing-Firma organisierte die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen demgegenüber gerade nicht in eigener Regie. Vielmehr behielt der Reeder dem Kapitän ggü. die gleiche Stellung wie ein Unternehmer ggü. einem ausgeliehenen, in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. etwa BAG v. 18.10.1994, AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; BAG v. 9.11.1994, AP Nr. 18 zu § 1 AÜG).

 

Rz. 680

Damit betraf die unternehmerische Entscheidung des Reeders, seine Arbeitgeberstellung aufzugeben und deren formale Ausübung einem Dritten (der Crewing-Firma) zu überlassen, nur einen kleinen Teilbereich der typischen Arbeitgeberfunktionen. Die Ausübung des Direktionsrechtes hatte sich der Reeder indes weitgehend selbst vorbehalten. Gerade das Direktionsrecht des Arbeitgebers kennzeichnet jedoch die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten (BAG v. 26.9.1996 – 2 AZR 20/96, NZA 1997, 202, 203). Die Beschäftigungsmöglichkeit für die Kapitäne war weiterhin in dem Bereich vorhanden, den der Reeder selbst betrieblich organisierte. Für den Kapitän bestand also eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz auf den von seinem Arbeitgeber bereederten Schiffen. Folglich war die Beendigungskündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, sondern sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), da es sich bei ihr um eine gem. § 1 Abs. 1 und 2 KSchG unwirksame Austauschkündigung handelte (BAG v. 26.9.1996 – 2 AZR 20/96, NZA 1997, 202, 203).

 

Rz. 681

Im "Rheuma-Klinik-Urteil" hielt das BAG die Entscheidung einer Rheuma-Klinik, die Küchenarbeiten sowie den Reini...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge