Rz. 568

Gem. § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung u.a. sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Das KSchG enthält keine Legaldefinition des Begriffes der "dringenden betrieblichen Erfordernisse". Nach der st. Rspr. des BAG setzt eine betriebsbedingte Kündigung jedoch voraus, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich auf Dauer entfällt und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann (BAG v. 18.5.2006, AP Nr. 7 zu § 9 AÜG m.w.N.). Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann ein Arbeitgeber eine durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingte Kündigung gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG aussprechen. Bevor der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, muss er gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwa bestehende Schwerbehinderung ausreichend berücksichtigen, sog. Sozialauswahl. Verstößt er hiergegen, ist die Kündigung unabhängig davon, ob betriebliche Gründe vorliegen, ggü. dem gekündigten Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 KSchG sozialwidrig.

 

Rz. 569

I.d.R. wird eine betriebsbedingte Kündigung als ordentliche Kündigung auszusprechen sein. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, Tarifvertrag oder wegen gesetzlicher Schutzbestimmungen unkündbar, kommt ausnahmsweise auch eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung begründet keinen absoluten Schutz vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichem Anlass, wenn denn die Voraussetzungen vorliegen, die an einen wichtigen Grund zu stellen sind (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, Rn 16). Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 50/19, Rn 13; BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, Rn 17; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, Rn 15; BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 453/11, Rn 22). Es kann dem Arbeitgeber unzumutbar sein, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über solche Zeiträume hinweg allein durch Gehaltszahlungen ohne adäquate Gegenleistung aufrechtzuerhalten (BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, Rn 17; BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, Rn 17). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden (BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 50/19, Rn 13). Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben (BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 50/19, Rn 13). Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 50/19, Rn 13; BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, Rn 30, BAGE 152, 47; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, Rn 15; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, Rn 14). Den hohen materiell-rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers (BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 50/19, Rn 14). Im Falle einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen hat der Arbeitgeber daher nicht nur darzulegen, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz infolge einer Organisationsentscheidung nicht mehr möglich ist (BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, Rn 18). Er muss vielmehr zudem und von sich aus darlegen, dass überhaupt keine Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis – und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen (BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 50/19, Rn 14; BAG v. 23.1.14 – 2 AZR 372/13, Rn 18; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, Rn 36; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, Rn 41). Im Unterschied zu einer ordentlichen Kündigung ist es nicht ausreichend, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei aufgrund des Fortfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich, und sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abwartet. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum "wichtigen Grund" (BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 50/19, Rn 14; BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, Rn 31, BAGE 152, 47). Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, Rn 18; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, Rn 36; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, Rn 41). Der Vortrag des Arbeitgebers muss deutlich machen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um die durch sein (neues) unternehmerisches ...

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