Rz. 945

Für zahlreiche Berufssparten sind für Streitigkeiten zwischen Ausbildendem und Auszubildendem aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis Schlichtungsausschüsse gem. § 111 Abs. 2 ArbGG eingerichtet. Solche Schlichtungsausschüsse befinden sich für das Handwerk bei den Handwerksinnungen, während i.Ü. Schlichtungsstellen bei den Industrie- und Handelskammern bestehen. Zu den Streitigkeiten, die vor einen bestehenden Schlichtungsausschuss zu bringen sind, gehören auch die Streitigkeiten über die Wirksamkeit von außerordentlichen Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen (BAG v. 13.4.1989 – 2 AZR 441/88, NZA 1990, 395). Der Ausschuss hat die Parteien mündlich zu hören.

 

Rz. 946

Vor Erhebung einer Kündigungsschutzklage muss, wenn ein solcher Ausschuss besteht, dieser vom Auszubildenden angerufen und die Verhandlung vor diesem Ausschuss durchgeführt werden, § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG. Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist zwingende Voraussetzung für die wirksame Erhebung einer Kündigungsschutzklage (BAG v. 13.4.1989 – 2 AZR 441/88, NZA 1990, 395). Eine ohne Durchführung dieses Schlichtungsverfahrens erhobene Kündigungsschutzklage ist unzulässig, § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG. Die Schlichtungsverhandlung lässt sich allerdings nach bereits erfolgter Klageerhebung nachholen. Wird der Streit hier nicht erledigt, wird die Kündigungsschutzklage nachträglich zulässig.

 

Rz. 947

Wird der Spruch des Schlichtungsausschusses von beiden Parteien nicht innerhalb von einer Woche anerkannt, so kann der Auszubildende innerhalb von zwei Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim zuständigen ArbG erheben (LAG Hessen v. 14.6.1989 – 10 Sa 1678/88, DB 1990, 589). Diese Frist beginnt allerdings erst dann zu laufen, wenn der Auszubildende über die Notwendigkeit, die Zwei-Wochen-Frist für die Einreichung der Kündigungsschutzklage einzuhalten, nach ergangenem Spruch des Schlichtungsausschusses schriftlich belehrt worden ist, § 111 Abs. 2 S. 3 und 4 ArbGG.

 

Rz. 948

Besteht für das Berufsausbildungsverhältnis ein Schlichtungsausschuss, findet die Klagefrist des § 4 KSchG und des § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG keine Anwendung. Daraus folgt aber zugleich, dass in der Drei-Wochen-Frist nach Zugang der Kündigung bei bestehendem Schlichtungsausschuss weder dieser noch das ArbG angerufen werden müssen (BAG v. 13.4.1989 – 2 AZR 441/88, NZA 1990, 395).

 

Rz. 949

Ist allerdings ein solcher Schlichtungsausschuss nicht vorhanden, muss der Auszubildende die Klagefrist nach §§ 13, 4 KSchG einhalten, um eine fiktive Wirksamkeit der Kündigung zu vermeiden (BAG v. 5.7.1990 – 2 AZR 53/90, NZA 1991, 671). Versäumt er diese Frist, wird nämlich die Arbeitgeberkündigung wirksam, weil ein wichtiger Grund fingiert wird.

 

Rz. 950

Das BAG ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Klagefrist des § 4 KSchG auch dann eingehalten werden muss, wenn der Auszubildende nicht das Fehlen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 22 Abs. 2 BBiG, sondern sonstige Unwirksamkeitsgründe, insb. solche des § 22 Abs. 3 BBiG, geltend machen will (BAG v. 5.7.1990 – 2 AZR 53/90, NZA 1991, 671). Auch bei der außerordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses hätten beide Parteien ein erhebliches Interesse daran, die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung rasch zu klären. Daraus folgert zusammenfassend das BAG v. dass die Vorschriften des KSchG über die fristgebundene Klageerhebung auch auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen anzuwenden sind, sofern nicht gem. § 111 Abs. 1 S. 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuss stattfinden muss (BAG v. 26.1.1999 – 2 AZR 134/98, BB 1999, 908).

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