Rz. 1191

Ist durch eine arbeitsvertragliche, tarifvertragliche oder in einer Betriebsvereinbarung enthaltene Unkündbarkeitsvereinbarung die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, so ist eine dennoch ausgesprochene Kündigung unwirksam (Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigungsschutz, Rn 206). Möglich bleibt nur die außerordentliche Kündigung, die allerdings nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden kann. Regelt eine Unkündbarkeitsvereinbarung, dass der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses "nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes" kündbar sein soll, muss der Kündigende klar zum Ausdruck bringen, dass er eine außerordentliche Kündigung erklären will. Eine aufgrund eines Kündigungsausschlusses unzulässige ordentliche Kündigung kann auch nicht in eine außerordentliche umgedeutet werden (LAG Köln v. 29.4.1994 – 4 Sa 1171/93, DB 1994, 2632). Dabei entsteht aber das Problem, ob und wann einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer außerordentlich gekündigt werden kann, wenn ordentlich kündbaren Arbeitnehmern fristgerecht gekündigt werden könnte.

 

Rz. 1192

Im Grundsatz ist festzuhalten, dass dies einzig und allein davon abhängt, ob die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den wichtigen Grund mit zunehmender Länge der Kündigungsfrist abnehmen. Eine unbesehene Übernahme dieses Grundsatzes bei Vorliegen einer Unkündbarkeitsvereinbarung würde allerdings dazu führen, dass die außerordentliche Kündigung eher zugelassen werden müsste, obwohl der Arbeitnehmer durch die Unkündbarkeitsvereinbarung einen besseren Bestandsschutz erhalten sollte. Das BAG will dieses Problem mit einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung lösen. Ob der Kündigungsausschluss zugunsten oder zuungunsten des Arbeitnehmers wirkt, ist unter Beachtung von Sinn und Zweck der Unkündbarkeitsvereinbarung sowie unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Kündigungsgrundes zu entscheiden (BAG v. 14.11.1984 – 7 AZR 474/83, NZA 1985, 426).

 

Rz. 1193

Der vereinbarte, insb. tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschluss der ordentlichen Kündigung zählt zu den Unwirksamkeitsgründen einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, die gem. §§ 4, 6 KSchG rechtzeitig prozessual geltend gemacht werden müssen. § 6 KSchG ermöglicht dem Arbeitnehmer die Erweiterung der Klage auf Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung, vorausgesetzt, dass die wegen Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen erhobene Klage innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG eingereicht wurde. Darüber hinaus umfasst die neue Regelung auch den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer form- und fristgerecht Klage gegen die von ihm als sozialwidrig angesehene Kündigung erhoben hat und nach Ablauf der Klagefrist weitere Unwirksamkeitsgründe nachschieben will, wie z.B. die unterbliebene oder mit Mängeln behaftete Anhörung des Betriebsrates (BAG v. 8.11.2007 – 2 AZR 314/06, NZA 2008, 936).

 

Rz. 1194

Checkliste: Prüfung der Unkündbarkeitsvereinbarung

Zuerst ist zu ermitteln, ob es sich um einen verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Kündigungsgrund handelt.

Anschließend ist zu fragen, ob es sich um einen Kündigungsgrund handelt, welcher auch bei ordentlich kündbaren Arbeitnehmern eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde oder nicht.

Sodann ist der Sinn und Zweck des Kündigungsausschlusses zu ermitteln, der grds. darin liegt, dass der ordentlich unkündbare Arbeitnehmer gegen Kündigungen besonders abgesichert werden soll, zumindest soll ihm ggü. keiner Unkündbarkeitsvereinbarung unterfallenden Arbeitnehmern kein Nachteil entstehen.

 

Rz. 1195

Kommt bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung in Betracht, so schlägt sich die verstärkte Vertragsbindung zulasten des Arbeitnehmers nieder. Liegt dagegen ein Kündigungsgrund vor, der bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, kommt bei dem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer nur ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung in Betracht. In einem solchen Fall ist aber stets mit einer sozialen Auslauffrist zu kündigen, die der gesetzlichen oder anderweitig vereinbarten Kündigungsfrist zu entsprechen hat. Es ist die längste tarifliche oder gesetzliche Kündigungsfrist anzuwenden (BAG v. 28.3.1985 – 2 AZR 113/84, DB 1985, 1743; BAG v. 4.2.1993 – 2 AZR 469/92, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 144).

 

Rz. 1196

Dies führt zu folgenden Fallgruppen:

Bei der betriebsbedingten Kündigung wirkt eine Unkündbarkeitsvereinbarung zugunsten des Arbeitnehmers. Ein Ausnahmefall ist allenfalls dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber wegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annehmen kann, aber über Jahre hinweg zur Entgeltzahlung verpflichtet bliebe (BAG v. 28.3.1985 – 2 AZR 113/84, DB 1985, 1743; BAG v. 22.7.1992 – 2 AZR 84/92, DB 1993, 1192). Nur in Ausnahmef...

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