Rz. 635

Im Prozess trägt der Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist und keine anderweite Beschäftigungsmöglichkeit besteht (BAG v. 7.12.1978, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung m. Anm. Reuter; BAG v. 22.2.1980, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG Krankheit). Schlagwortartige Angaben wie bspw. Rationalisierungen, Umsatzverluste oder Auftragsrückgänge seien Grund für die betriebsbedingte Kündigung, reichen nicht aus (BAG v. 7.12.1978, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 17.6.1999, AP Nr. 101 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).

 

Rz. 636

Liegen indes die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG vor, wird gemäß § 292 ZPO die rechtliche Folge – das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG – ohne weiteren Vortrag des Arbeitgebers gesetzlich vermutet (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, Rn 25). Diese Vermutung bezieht sich sowohl auf den Wegfall der bisherigen Beschäftigung als auch auf das Fehlen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, Rn 25; BAG v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, Rn 24 BAG EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Nach § 292 ZPO ist (nur) der Beweis des Gegenteils zulässig. Es ist deshalb Sache des Arbeitnehmers darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass in Wirklichkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn weiterhin besteht (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, Rn 26). Eine bloße Erschütterung der Vermutung ist nicht ausreichend (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, Rn 26). Vielmehr ist ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, Rn 26; BAG v. 5.11.2009 – 2 AZR 676/08, Rn 17, BAG EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; BAG v. 23.10.2008 – 2 AZR 163/07, Rn 37, BAG EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Der Arbeitnehmer hat darzulegen, weshalb der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder wo sonst im Betrieb oder Unternehmen er weiterbeschäftigt werden kann (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, Rn 26; BAG v. 12.3.2009 – 2 AZR 418/07, Rn 24; BAG EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; zu etwaigen dem Arbeitnehmer bei der Führung des Gegenbeweises zugutekommenden Erleichterungen nach den Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast vgl. BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, Rn 28 f.).

 

Rz. 637

Der Arbeitgeber muss auch die außerbetrieblichen Faktoren, die er seiner Negativprognose zugrunde gelegt hat, darlegen und beweisen (BAG v. 11.9.1986, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 54). Somit hat er sowohl die maßgeblichen außerbetrieblichen Gründe als auch die innerbetrieblichen Gründe, wie etwa Art, Zeitpunkt und Umfang einer Restrukturierungsmaßnahme sowie die Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitsplätze, so konkret darzulegen, dass der Arbeitnehmer sie mit Gegentatsachen bestreiten und das Gericht sie überprüfen kann (KR/Griebling, § 1 KSchG Rn 553). Das Gericht muss insb. erkennen können, ob und weshalb durch innerbetriebliche Maßnahmen oder durch außerbetriebliche Ursachen das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen ist (BAG v. 1.7.1976, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 4; BAG v. 30.5.1985, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36).

 

Rz. 638

An die Darlegungslast des Arbeitgebers sind dabei gesteigerte Anforderungen zu stellen, wenn die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinausläuft, die mit einer Neuverteilung derjenigen Aufgaben verbunden ist, die dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesen waren (BAG v. 13.2.2008, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158). Der Arbeitgeber muss diese Entscheidung konkretisieren, damit das Gericht nachprüfen kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss insb. konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können (BAG v. 13.2.2008, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

 

Rz. 639

Der Arbeitnehmer ist dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG v. 24.10.1979, AP Nr. 8 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 9.5.1996, AP Nr. 79 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 27.9.2001, EzA § 2 KSchG Nr. 41; BAG v. 4.5.2006, AP Nr. 304 zu § 613a BGB; BAG v. 21.9.2006, AP Nr. 130 zu § 2 ...

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