Rz. 106

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit sind die objektiven Umstände zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung (BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1; BAG v. 21.4.2005, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 62). Unerheblich ist dabei, ob dem Arbeitgeber die Umstände, die objektiv im Zeitpunkt des Kündigungszuganges vorlagen, auch tatsächlich bekannt waren. Infolgedessen kann er grds. im Kündigungsschutzprozess auch noch Kündigungsgründe geltend machen, die vor dem Zeitpunkt des Kündigungszuganges liegen, von denen er aber erst später Kenntnis erlangt hat, soweit dies die Beschränkungen nach § 102 Abs. 1 BetrVG und nach den einschlägigen prozessualen Vorschriften zulassen. Kündigungsgründe, die erst nach Zugang der Kündigung entstehen, können hingegen nur eine weitere Kündigung sozial rechtfertigen (BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1). Hat bspw. ein Arbeitgeber in einem betriebsratslosen Betrieb einem Arbeitnehmer zunächst wegen mehrfacher Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen gekündigt, kann er seine Kündigung im Kündigungsschutzprozess auch noch auf eine Unterschlagung stützen, die der Arbeitnehmer vor Zugang der Kündigung begangen hat, die dem Arbeitgeber allerdings erst danach bekannt geworden ist. Hat sich der Arbeitnehmer indes die Straftat erst nach Zugang der Kündigung zuschulden kommen lassen, kann der Arbeitgeber eine weitere Kündigung aussprechen.

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