Rz. 507

Der Verrat von Betriebsgeheimnissen ist gem. § 17 UWG ein Straftatbestand. Daher kann eine fristlose Kündigung in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer schutzwürdige Geheimnisse des Arbeitgebers unbefugt an Dritte weitergibt (§ 17 Abs. 1 UWG). Strafbar ist auch die Mitnahme aus Eigennutz oder in der Absicht, dem Arbeitgeber Schaden zuzufügen (§ 17 Abs. 2 UWG). Vielfach wird es sich lediglich um einen Verdacht handeln, sodass die für die Verdachtskündigung geltenden Regeln zu beachten sind. Die Verdachtsmomente müssen so beschaffen sein, dass das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört ist. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen haben. Insb. ist der Arbeitnehmer vorher anzuhören und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BAG v. 11.4.1985, DB 1986, 1726; BAG v. 14.9.1994, AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

 

Rz. 508

Ob eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 32; BAG v. 18.3.1982 – 2 AZR 940/79, zu A IV 1 der Gründe).

Fraglich ist, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein Arbeitnehmer ohne Einverständnis seines Arbeitgebers Fotokopien von Geschäftsunterlagen, beispielsweise den Geschäftsbetrieb betreffender Rechnungen und Schecks hergestellt, ohne dass hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht. Selbst wenn der Arbeitnehmer diese Kopien ausschließlich zu seiner Rechtsverteidigung verwenden wollte und verwandt hat, kann daraus nicht ohne weiteres auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen geschlossen werden (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 33). Dem Rechtsschutzinteresse einer Partei, die sich nicht im Besitz prozessrelevanter Urkunden befindet, trägt das Gesetz mit den Regelungen zur Vorlagepflicht in § 142 ZPO und § 424 ZPO Rechnung (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 33). In diesem Zusammenhang können besondere Umstände, aufgrund derer ein Arbeitnehmer annehmen darf, ein entsprechendes prozessuales Vorgehen sei von vorneherein aussichtslos, zu berücksichtigen sein (so wohl BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 33). Möglicherweise kann sich ein Kläger für die Rechtfertigung seines Verhaltens auch auf eine Beweisnot berufen (zur Eignung eines solchen Sachverhalts als Rechtfertigungsgrund vgl. Haller, BB 1997, 202, 203; nicht entschieden allerdings von BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 34). Bei der Abwägung, ob eine außerordentliche oder eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommt, können die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalters und etwaige damit verbundene zu erwartende Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung berücksichtigt werden (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 37). Ferner ist zu bedenken, ob der Arbeitnehmer die fraglichen Unterlagen zu Wettbewerbszwecken oder zu dem Zweck hergestellt hat, seinem Arbeitgeber zu schaden oder ob er sie ausschließlich an seinen Rechtsanwalt und damit an eine ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtete Person zu dem Zweck weitergegeben hat, sie bei Gericht einzureichen werden (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 37). Derartige Umstände schließen die Rechtswidrigkeit des Verhaltens zwar nicht aus, sie können es aber in einem milderen Licht erscheinen lassen (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 37). Auch der Umstand, dass nur eine singuläre Pflichtverletzung vorlag und der Arbeitnehmer irrig der Annahme war, zur Selbsthilfe berechtigt zu sein, können sich im Einzelfall mildernd auswirken (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 37).

 

Rz. 509

 

Hinweis

Wegen der zahlreichen Unwägbarkeiten muss im Einzelfall sehr sorgfältig geprüft werden, ob und unter welchen Umständen vertrauliche Unterlagen zur Rechtsverfolgung vor Gericht vorgelegt werden dürfen. Unachtsames Vorgehen kann hier sehr schnell zu einer verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung führen.

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