Rz. 505

Verliert der Arbeitnehmer die zur Ausübung seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer erforderliche Fahrerlaubnis, kann eine darauf gestützte Kündigung aus verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründen gerechtfertigt sein (im Einzelnen vgl. Rdn 260). Einen als Kraftfahrer angestellten Mitarbeiter trifft die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, sich auch außerhalb seines Dienstes so zu verhalten, dass ihm die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird. Allerdings ordnet das BAG den Entzug der Fahrerlaubnis oder der Fluglizenz überwiegend dem Anwendungsbereich der personenbedingten Kündigung zu (BAG v. 30.5.1978 – 2 AZR 630/76, DB 1978, 1790 = BB 1978, 1310 = NJW 1979, 332; BAG v. 31.1.1996, DB 1996, 1629 = NZA 1996, 819; BAG v. 25.4.1996, DB 1997, 179 = NZA 1996, 1201 = NJW 1997, 886). Der Verlust des Führerscheins führt nämlich ebenso wie der Verlust der Fluglizenz zu einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot. Ohne diese Erlaubnis darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht weiter einsetzen, und dem Arbeitnehmer ist die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung durch den Verlust der Fahrerlaubnis bzw. Fluglizenz rechtlich unmöglich geworden. Wegen der anzustellenden Prognose muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung aber prüfen, ob in absehbarer Zeit mit einer Wiedererteilung der Erlaubnis zu rechnen ist (BAG v. 7.2.1990 – 2 AZR 359/89, BB 1990, 2051 = NZA 1991, 341). Weiterhin muss der Arbeitgeber prüfen, ob trotz Fehlens der Erlaubnis eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Arbeitsbedingungen besteht (BAG v. 14.2.1991, RzK I 6a Nr. 70). Die Kündigung hat keinen Strafcharakter, vielmehr es geht darum, ob zukünftig eine störungsfreie Zusammenarbeit möglich ist. Deshalb hat das BAG auch bei einem Entzug der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt im Privatbereich eine fristlose Kündigung nur als unausweichlich letzte Maßnahme des Arbeitgebers zugelassen und ihm die Verpflichtung auferlegt, zunächst eine mögliche Versetzung oder Umsetzung des Arbeitnehmers zu prüfen (BAG v. 30.5.1978 – 2 AZR 630/76, DB 1978, 1790). Dies gilt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Fall einer ordentlichen Beendigungskündigung: Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung (BAG v. 27.9.1984, NZA 1985, 455). Erst wenn der Kraftfahrer es bei Verlust seiner Fahrerlaubnis ablehnt, vorübergehend im Lager zu arbeiten, darf der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen, wenn er dem Arbeitnehmer zuvor klar gemacht hat, dass er mit dieser Konsequenz bei Ablehnung des Angebotes rechnen müsse. Aus der Nebenpflicht des Arbeitnehmers, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB) und der damit verbundenen Pflicht, den Vertragszweck zu schützen und zu fördern (BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 19) folgt auch die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig über Umstände zu informieren, die einer Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen (BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 43; BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 517/14, Rn 24). Deshalb hat ein Arbeitnehmer den Verlust seiner Fahrerlaubnis unverzüglich mitzuteilen, wenn er diese für die Erbringung seiner Arbeitsleistung benötigt (BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 43; Künzl/Sinner, NZA-RR 2013, 561, 565). Zu den Nebenpflichten gehört auch die Schadensabwendungspflicht, nach welcher der Arbeitnehmer gehalten ist, drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden bzw. zu beseitigen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. In Zusammenhang damit steht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, bemerkbare oder voraussehbare Schäden oder Gefahren dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen (BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 43; BAG v. 28.10.2008 – 2 AZR 15/07, Rn 21). Verstößt der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt (BAG v. 20. 10. 2016 – 6 AZR 471/15, Rn 43; BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, Rn 25). Hieraus kann auch die Pflicht resultieren den Arbeitgeber unverzüglich über das Ergebnis eines Drogenwischtests zu informieren (BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 44). Dies gilt auch, wenn der Test auf eine polizeiliche Kontrolle anlässlich einer Privatfahrt zurückzuführen ist und ein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht, beispielsweise, weil der Arbeitnehmer im nahen zeitlichen Zusammenhang seine Arbeit aufnehmen muss und ihm durch das Ergebnis des Drogenwischtests unmissverständlich verdeutlicht wurde, dass sein vorangegangener Drogenkonsum seine Fahrtüchtigkeit noch immer erheblich infrage stellt (BAG v. 20. 10. 2016 – 6 AZR 471/15, Rn 44). Angesichts der mit dem Einsatz des Arbeitnehmers zumindest abstrakt verbundenen Gefahren für den Straßenverkehr und die Güter des Arbeitgebers ...

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