Rz. 19

Von dem Beschäftigungsanspruch ist der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses (d.h. nach fristloser Kündigung oder Ablauf der Kündigungsfrist) zu unterscheiden (siehe § 13 Rdn 31 ff.). Er bezieht sich auf ein in seinem Bestand umstrittenes Arbeitsverhältnis.

 

Rz. 20

Auf der Grundlage der Entscheidung des GS des BAG v. 27.2.1985 scheitert der Antrag auf Erlass einer Leistungsverfügung auf Weiterbeschäftigung vor und während des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens regelmäßig schon deshalb, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt, es sei denn, die Kündigung wäre offensichtlich unwirksam.[19] Offensichtliche Unwirksamkeit kann jedoch nur angenommen werden, wenn sie sich ohne weitere Nachprüfung geradezu aufdrängt, tragfähige Gründe schlechterdings nicht zu erkennen, Beteiligungs- oder Zustimmungserfordernisse (§§ 102 f. BetrVG, § 168 SGB IX, § 17 MuSchG, § 18 BEEG) eindeutig nicht beachtet sind.[20]

 

Rz. 21

Im Übrigen wird der Weiterbeschäftigungsanspruch dem gekündigten Arbeitnehmer nach der höchstrichterlichen Rspr. erst auf der Grundlage eines erstinstanzlichen Urteils zugebilligt, das die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt hat. Soweit der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren zugleich auf Weiterbeschäftigung geklagt hat, kann er aus dem der Klage stattgebenden Urteil vollstrecken und so seine Weiterbeschäftigung durchsetzen. Auf einstweiligen Rechtsschutz ist er deshalb nicht angewiesen.

 

Rz. 22

Anders verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer ein überragendes Interesse an der Weiterbeschäftigung bereits während der Dauer des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens glaubhaft macht.[21] Unter diesen Voraussetzungen kann eine Leistungsverfügung auf Weiterbeschäftigung vor oder während des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens ergehen, soweit die Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, aus denen sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ihre Unwirksamkeit ergibt.[22]

 

Rz. 23

Nach einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil kommt eine Leistungsverfügung auf Weiterbeschäftigung nicht in Betracht. Sie scheitert daran, dass es an einem Verfügungsgrund fehlt. Der Arbeitnehmer muss sich vorhalten lassen, die Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt zu haben, indem er es versäumt hat, im erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahren kumulativ den Weiterbeschäftigungsantrag zu stellen.[23] Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Arbeitnehmer bei Einreichung der Kündigungsschutzklage aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert war, zeitgleich einen Weiterbeschäftigungsantrag zu stellen.[24]

[19] BAG v. 27.2.1985, NZA 1985, 702; dazu Ascheid/Preis/Schmidt/Koch, § 102 BetrVG Rn 235 ff.; ErfK/Kiel, KSchG, § 4 Rn 39.
[20] KR/Rinck, § 102 BetrVG Rn 303; Reidel, NZA 2000, 454, 461.
[21] LAG Köln v. 26.11.1985, NZA 1996, 136; LAG Berlin v. 22.2.1991, NZA 1991, 472; Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 125 Rn 18.
[22] LAG München v. 10.2.1994, LAGE § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht Nr. 14; KR/Rinck, § 102 BetrVG Rn 303.
[23] LAG Köln v. 18.8.2000, BB 2001, 103; LAG Köln v. 6.8.1996, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 40; Germelmann u.a., § 62 Rn 86; KR/Rinck, § 102 BetrVG Rn 293; Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 125 Rn 18.
[24] LAG Köln v. 17.2.2021, BeckRS 2021, 8142.

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