Rz. 17

Im Vorfeld oder aus Anlass einer Kündigung werden Arbeitnehmer häufig von der Arbeitsleistung freigestellt (suspendiert). Die einseitige Freistellung widerspricht dem Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche, vertragsgemäße Beschäftigung, die er grundsätzlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verlangen kann.[12] Will der suspendierte Arbeitnehmer seine Beschäftigung im Wege der Leistungsverfügung durchsetzen, wird er regelmäßig auf einen Verfügungsanspruch verweisen können.

Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber sich im Arbeitsvertrag, was durchaus häufig insbesondere mit leitenden Angestellten vereinbart wird, die Freistellung für den Fall der Kündigung vorbehalten hat. Eine derartige Vereinbarung ist regelmäßig als wirksam anzusehen.[13] Als vorformulierte Vertragsbedingung ist sie allerdings der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 BGB unterworfen.[14] Um dem Transparenzgebot zu genügen, sollten die Gründe der Freistellung in die Klausel mit aufgenommen werden, jedenfalls in allgemein gehaltener Form (z.B. "nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist"). Im Übrigen kann die konkrete Ausübung des Freistellungsvorbehalts auf ihre Billigkeit nach § 315 BGB überprüft werden.[15]

 

Rz. 18

Besondere Anforderungen sind an den Verfügungsgrund zu stellen, da mit der Leistungsverfügung vollendete Tatsachen geschaffen werden. Der Verfügungsgrund ist nicht allein deshalb gegeben, weil der Beschäftigungsanspruch besteht und durch Zeitablauf vereitelt wird. Der Arbeitnehmer muss vielmehr auf die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs dringend angewiesen sein, etwa um seine beruflichen Chancen zu erhalten.[16] Das Gericht hat eine Interessenabwägung vorzunehmen und wird die einstweilige Verfügung nur erlassen, soweit ein überwiegendes Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung festzustellen ist.[17] Ein dringendes Beschäftigungsinteresse ist bereits anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer allein durch eine kurzzeitige Unterbrechung seiner Tätigkeit berufliche Fähigkeiten einbüßt und Nachteile erleidet.[18]

[12] LAG München v. 19.8.1992, NZA 1993, 1130; ErfK/Preis, BGB, § 611a Rn 620; Reidel, NZA 2000, 454, 455; Schaub/Ahrendt, ArbR-Hdb, § 109 Rn 10.
[13] LAG Hamm v. 3.2.2004, NZA-RR 2005, 358; LAG Hamburg v. 10.6.1994, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 37; ArbG Stralsund v. 11.8.2004, NZA-RR 2005, 23; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.1.1; Schaub/Ahrendt, ArbR-Hdb, § 109 Rn 9 f.; einschränkend ErfK/Preis, BGB, § 611a Rn 621 f.
[14] ArbG Stralsund v. 11.8.2004, NZA-RR 2005, 23; ArbG Frankfurt v. 19.11.2003, NZA-RR 2004, 409; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1569.
[15] LAG Hamm v. 3.2.2004, NZA-RR 2005, 358; ErfK/Preis, BGB, § 611a Rn 623; Schaub/Ahrendt, ArbR-Hdb, § 109 Rn 10.
[16] LAG Hamm v. 18.2.1998, NZA-RR 1998, 422; LAG Frankfurt v. 23.3.1987, NZA 1988, 37; LAG Köln v. 9.2.1991, LAGE § 935 ZPO Nr. 3; ArbG Köln v. 9.5.1986, NZA-RR 1997, 186; Heinze, RdA 1986, 273, 282; Reinhard/Kliemt, NZA 2005, 545, 547; a.A. LAG München v. 18.9.2002, NZA-RR 2003, 269; LAG Chemnitz v. 8.3.1996, NZA-RR 1997, 4; Ascheid/Preis/Schmidt/Koch, § 102 BetrVG Rn 234; Germelmann u.a., § 62 Rn 105; Korinth, S. 221 Rn 94; Schaub/Ahrendt, ArbR-Hdb, § 109 Rn 7.
[17] Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.1.3.
[18] LAG Rheinland-Pfalz v. 21.8.1996, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 19.

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