Rz. 154

Soweit die Behinderung durch die in § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B genannten Umstände verursacht ist und der Auftragnehmer durch eine Behinderungsanzeige sichergestellt hat, dass er sämtliche aus der Behinderung resultierenden Rechte geltend machen kann, steht ihm in Bezug auf die zeitlichen Auswirkungen der Behinderungen in der Regel ein Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen gem. § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 VOB/B zu.

 

Rz. 155

Ausführungsfristen werden dagegen nicht verlängert, wenn dem Auftragnehmer durch entgegenwirkende Maßnahmen die Möglichkeit offenstände, die behindernden Umstände abzuwenden. Der Auftragnehmer muss nach § 6 Abs. 3 S. 1 VOB/B alles tun, was ihm billigerweise zugemutet werden kann, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen. Hierzu gehört grundsätzlich:

die Sicherung der Baustelle,
die Beseitigung von Fehlern oder Schäden,
das Unterhalten der Baustelle und der eingesetzten oder bereitliegenden Materialien sowie Geräte.
 

Rz. 156

Außerdem muss der Auftragnehmer sich mit dem Auftraggeber in Verbindung setzen und eine Verständigung über die zu ergreifenden Maßnahmen versuchen. Erst wenn der Auftragnehmer sich tatsächlich nicht mehr rühren kann, wird ihm das Recht zum Nichttätigwerden zugebilligt.[142]

 

Rz. 157

Führt eine Behinderung nicht zur Unterbrechung der Arbeiten, sondern nur zu einer Erschwerung, so ist die erforderliche Fristverlängerung anhand der Intensität der Behinderung zu ermitteln.

 

Rz. 158

Der Verlängerungsanspruch an sich wird in der Regel vom Auftragnehmer durch die Benennung neuer Termine oder nur durch in der Praxis als "Aufkündigung" der Vertragstermine bezeichnete Mitteilung der Überschreitung der bisherigen Termine geltend gemacht. Der Auftraggeber hat dagegen ein veritables Interesse an der Fortschreibung, d.h. der Vereinbarung "neuer" Termine infolge der als berechtigt angesehenen Verlängerung. Letzteres ist zudem in der Praxis oft strittig und schwer darstellbar, weshalb einverständliche Neufestlegungen von Terminen meistens daran scheitern.

 

Rz. 159

Sollte eine einverständliche Neufestlegung der Ausführungsfrist zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nicht zustande kommen, dann wird die Frist letztendlich im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung seitens des Richters nach §§ 315 ff. BGB bestimmt werden müssen. Die VOB/B sieht dafür keine Regelung vor. § 6 Abs. 4 VOB/B erwähnt somit auch nicht das in der Praxis ständig vorkommende Phänomen der "Terminplanfortschreibung".

 

Rz. 160

Wird der Terminplan in diesem Sinne fortgeschrieben, müssen die Parteien festlegen, was sie damit vertraglich zum Ausdruck bringen wollen, da andernfalls Nachteile entstehen (z.B. Entfall der Vertragsstrafe auf Seiten des Auftraggebers oder neue, pönalisierte Termin für den Auftragnehmer). Der Bauablaufplan sollte aus Gründen der Klarheit und Nachvollziehbarkeit bezogen auf weitere Behinderungen bereits während der Ausführung einverständlich fortgeschrieben werden. Der auf Basis der Ist-Störungen fortgeschriebene Bauablaufplan, der damit den tatsächlichen Bauablauf wiedergibt, wird von den Gerichten als Ausgangspunkt zur Feststellung von Behinderungsansprüchen anerkannt.[143]

 

Rz. 161

 

Praxistipp

Der Auftraggeber müsste in der Folge mangels Vertragstermin auf den von ihm errechneten, insoweit verlängerten Termin den Auftragnehmer gem. § 5 Abs. 4 BGB in Verzug setzen. Der "Entfall" des bisherigen Vertragstermins hat also lediglich zur Folge, dass der Auftraggeber mahnen muss, um den Verzug des Auftragnehmers zu begründen.

 

Rz. 162

§ 6 Abs. 4 VOB/B regelt bestimmte Anteile der Fristberechnung, nämlich

die Dauer der Behinderung, die den wesentlichen Teil der Verlängerung ausmacht,
einen Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten und für die etwaige Verschiebung in eine ungünstigere Jahreszeit.
 

Rz. 163

In der baubetrieblichen Praxis wird bei Behinderungen, die kausal für den Verzug mit einer Vertragsfrist werden, von solchen gesprochen, die auf dem sog. "kritischen Weg" lagen. Es handelt sich dabei um Behinderungen, die unmittelbar zu einer Verlängerung der Ausführungsfrist um den Zeitraum der Behinderung führen. Kennt der Auftraggeber also den kritischen Weg, kann er leichter die Verlängerung bestimmen oder abwehren.

 

Rz. 164

Zu der Verlängerung der Ausführungsfrist um den Zeitraum der Behinderung kommt ggf. ein Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Der Zuschlag wird nicht pauschal gewährt, vielmehr muss der Auftragnehmer darlegen, welchen Zeitraum er bei dem konkreten Bauvorhaben unter Berücksichtigung der Dauer der Arbeitseinstellung und anderweitiger Dispositionen benötigt hat, um die Arbeiten wieder aufzunehmen.[144]

 

Rz. 165

Des Weiteren kommt ggf. ein Zuschlag für die Verschiebung in eine ungünstigere Jahreszeit hinzu, wenn die Leistung tatsächlich von Witterungseinflüssen abhängig ist und im Rahmen der nunmehrigen Ausführungszeit entgegen der ursprünglich bei Angebotsabgabe zu erwartenden Witterungseinflüsse deutlich stärke Witterungseinflüsse üblich sind oder sich i...

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