Rz. 92

Zum Schutz des Ausgleichsberechtigten lässt Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB aber in den genannten Fällen doch einen Versorgungsausgleich nach deutschem Recht zu, wenn eine engere Beziehung zum deutschen Recht besteht und die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt wird. In diesen Fällen findet allerdings eine besondere Härteprüfung statt, damit es nicht durch den Ausgleich in Deutschland zu einer Störung des Gesamtgefüges des ehelichen Ausgleichs anlässlich der Scheidung kommt.

 

Rz. 93

Zu beachten ist, dass der Ausgleich in diesen Fällen regelmäßig nicht oder nur zu einem geringen Teil als Ausgleich bei der Scheidung wird stattfinden können, weil es in diesen Fällen oftmals hauptsächlich um ausländische Versorgungsanrechte gehen wird, die im Ausgleich bei der Scheidung nicht ausgleichsreif sind (vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG). Dann sind auch andere Anrechte, die an sich im Ausgleich bei der Scheidung auszugleichen wären, u.U. als nicht ausgleichsreif zu behandeln (§ 19 Abs. 3 VersAusglG).

a) Fälle

 

Rz. 94

Soweit der Versorgungsausgleich nach dem bisher Gesagten ausgeschlossen ist, findet jedoch gleichwohl ein Ausgleich nach deutschem Recht statt, wenn mindestens einer der Ehegatten während der Ehezeit Versorgungsanrechte in Deutschland erworben hat.

 

Rz. 95

 

Beispiel

Die in Deutschland lebenden Kasachen F und ihr Mann M beantragen die Scheidung. Scheidungsstatut ist in diesem Fall zwar deutsches Recht (Art. 8 Buchst. A VO 1259/2010). Das Heimatrecht beider Ehegatten (das kasachische Recht) kennt aber einen Versorgungsausgleich nicht, sodass der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht von Amts wegen ausgeschlossen ist. In diesem Fall kann ein Antrag auf Durchführung nur dann gestellt werden, wenn mindestens einer der Ehegatten in Deutschland Versorgungsanrechte erworben hat. Dazu reichen auch "Babypunkte" in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Versorgungsausgleich ist dagegen ausgeschlossen, wenn sie z.B. erst als Rentner nach Deutschland gekommen sind. Antragsberechtigt sind beide Ehegatten, gleichgültig, welcher das Anrecht erworben hat. Das ist eine erhebliche Änderung gegenüber dem früheren Zustand.[33]

 

Rz. 96

Dem Fall, dass ein Ehegatte in Deutschland Versorgungsanrechte erworben hat, war früher der Fall gleichgestellt, dass die Ehe zumindest während eines Teils der Ehezeit einem Recht unterlegen hat, das den Versorgungsausgleich kennt (Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F.). Diese Fallgruppe ist im Zuge der Umsetzung der Rom III VO durch das Ausführungsgesetz zu dieser Verordnung mit Wirkung vom 29.1.2013 abgeschafft worden. Auch wenn deutsches Recht Ehewirkungsstatut ist oder während eines Teils der Ehe war, kommt es heute allein darauf an, ob in der Ehezeit in Deutschland Versorgungsanrechte erworben wurden.

[33] Siehe dazu Vorauflage, Teil 2 Rn 63.

b) Antragserfordernis

 

Rz. 97

Zusätzliche Voraussetzung ist in den Fällen des § 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, dass ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt wird; der Versorgungsausgleich findet in diesen Fällen also nicht von Amts wegen statt.

 

Rz. 98

Der Antrag muss kein bestimmter Sachantrag sein, es reicht vielmehr, dass deutlich gemacht wird, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs begehrt wird.

 

Rz. 99

Der Antrag braucht nicht während des Scheidungsverfahrens gestellt zu werden. In Betracht kommt in diesen Fällen auch, den Versorgungsausgleich nach dem Scheidungsverfahren als isoliertes Verfahren durchzuführen.[34] § 224 Abs. 3 FamFG steht dem nicht entgegen, weil die Fälle des § 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB hier nicht aufgeführt sind (anders als die Fälle, dass ein Versorgungsausgleich wegen der zu kurzen Ehedauer nicht stattfindet).[35] Das Gericht, das wegen der einschränkenden Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB einen Versorgungsausgleich nicht durchführt, muss das nicht in seiner Entscheidung feststellen, sodass es in Bezug auf die Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs keine Entscheidung gibt, die in Rechtskraft erwachsen könnte. Unschädlich ist es auch, wenn das Gericht in seiner Entscheidung ausgesprochen hat, dass kein Versorgungsausgleich stattfindet. Dieser Ausspruch ist keine der Rechtskraft fähige Entscheidung, weil er nicht vorgesehen ist.[36]

 

Rz. 100

Der Antrag kann bis zur Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Nach dem Erlass der Endentscheidung bedarf die Rücknahme aber der Zustimmung der anderen Beteiligten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

 

Rz. 101

Das Antragsrecht ist verzichtbar. Haben die Eheleute auf ihr Antragsrecht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB verzichtet, ist der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Man wird an die Vereinbarung deswegen die gleichen Maßstäbe anlegen müssen wie an einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 6 VersAusglG. In Betracht kommt namentlich die Anwendung der Formvorschriften de § 7 VersAusglG und eine Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 8 VersAusglG.

[34] Vgl. schon BGH FamRZ 2007, 996.
[35] Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme, FamFG, § 224 Rn 5.
[36] So sch...

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