Rz. 90

 

§ 1581 Leistungsfähigkeit

Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, so braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.

 

BGH, Beschl. v. 16.10.2019 – XII ZB 341/17 Rn 25

Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers ergibt sich aus seinen Einkünften abzüglich eines ihm zu belassenden Selbstbehalts. Eine Unterhaltspflicht besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Unterhaltsschuldner infolge einer solchen Pflicht selbst sozialhilfebedürftig würde. Denn dem Unterhaltspflichtigen muss schon aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls der Betrag verbleiben, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sicherstellt. Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet deswegen jedenfalls dann, wenn der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern.

Bei der Bemessung des Selbstbehalts, die nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ist, sind zusätzlich die gesetzlichen Vorgaben zu beachten, die sich insbesondere aus dem Wesen der Unterhaltspflicht ergeben (vgl. Senatsurteil vom 19.11.2008 – XII ZR 129/06, FamRZ 2009, 307 Rn 23 m.w.N.).

 

Rz. 91

Müsste M den ermittelten Bedarf der F decken, blieben ihm nur 880 EUR (1600 – 720). Sein Selbstbehalt gegenüber einem Ehegatten von 1.280 EUR wäre nicht gewahrt.

 

SüdL

21. Selbstbehalt

21.1 Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 II BGB), dem angemessenen (§ 1603 I BGB) und dem eheangemessenen Selbstbehalt (§§ 1361 I, 1578 I BGB).

(…)

21.4 Gegenüber Ehegatten gilt grundsätzlich der Ehegattenmindestselbstbehalt (= Eigenbedarf). Er beträgt in der Regel für Erwerbstätige 1.280 EUR und für Nichterwerbstätige 1.180 EUR.

(…)

Seit 1.1.2020 differenzieren beim Ehegattenmindestselbstbehalt alle Oberlandesgerichte im Anwendungsbereich der SüdL zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen.

 

BGH, Beschl. v. 16.10.2019 – XII ZB 341/17 Rn 28

Indessen hat der Senat bereits wiederholt entschieden, dass ein erhöhter Selbstbehalt des Erwerbstätigen im Rahmen der Leistungsfähigkeit – wie der Erwerbstätigenbonus im Rahmen der Bedarfsbemessung – die Fortführung der Erwerbstätigkeit honoriert (vgl. auch Senatsbeschluss vom 13.11.2019 – XII ZB 3/19, zur Veröffentlichung bestimmt).

Ist der Unterhaltspflichtige allerdings nicht erwerbstätig, entfällt auch diese Rechtfertigung (vgl. Senatsurteile vom 19.11.2008 – XII ZR 129/06, FamRZ 2009, 307 Rn 15, 25, 27 und vom 9.1.2008 – XII ZR 170/05, FamRZ 2008, 594 Rn 26).

Soweit der Tatrichter im Rahmen der Leistungsfähigkeit auch beim Ehegattenunterhalt eine entsprechende Differenzierung vornimmt, ist dies daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 17.3.2010 – XII ZR 204/08, FamRZ 2010, 802 Rn 27 m.w.N.; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 210, 124 = FamRZ 2016, 1142 Rn 7 f., 26 bezüglich der Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm).

1. Zweck des Selbstbehalts

 

Rz. 92

 

BGH, Urt. v. 6.2.2008 – XII ZR 14/06

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss dem Unterhaltspflichtigen jedenfalls der Betrag verbleiben, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in der jeweiligen Lebenssituation sicherstellt. Eine Unterhaltspflicht besteht also nicht, soweit der Unterhaltsschuldner in Folge einer Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde. Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet spätestens dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern (BGHZ 166, 351, 356 = FamRZ 2006, 683, 684; vgl. dazu auch den 6. Existenzminimumbericht der Bundesregierung BT-Drucks 16/3265).

Ob und in welchem Umfang der dem Unterhaltsschuldner zu belassende Selbstbehalt über den jeweils regional maßgeblichen sozialhilferechtlichen Mindestbedarf hinausgehen kann, haben die Gerichte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen, die sich insbesondere aus der Bedeutung und Ausgestaltung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs und seiner Rangfolge im Verhältnis zu anderen Unterhaltsansprüchen ergeben. Für den Unterhaltsanspruch minderjähriger – wie der Beklagten zu 2 oder des weiteren Kindes des Klägers – oder privilegierter volljähriger Kinder ist nach ständiger Rechtsprechung deswegen von einem nur wenig über dem Sozialhilfebedarf liegenden notwendigen Selbstbehalt auszugehen (Urt. v. 9.1.2008 – XII ZR 170/05 – zur Veröffentlichung bestimmt), während für den Anspruch der Beklagten zu 1 auf nachehelichen Ehegattenunterhalt der Ehegattenselbstbehalt (BGHZ 166, 351, 358 = FamRZ 2006, 683, 684) zu beachten ist.

2. Ehegattenselbstbehalt

 

Rz. 93

Beim Ehe...

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