Rz. 43

Der Mindestbedarf betrifft den Unterhaltsberechtigten, der Selbstbehalt den Unterhaltspflichtigen.[48] Bezeichnet wird dabei derjenige Betrag, der der betreffenden Person auf jeden Fall zukommen muss bzw. verbleiben muss.

 

Rz. 44

Das Unterhaltsrecht kennt drei unterschiedliche Bedarfe:

den "objektiv bestimmten" Bedarf als Existenzminimum, Mindestbedarf oder notwendigen Bedarf (derzeit 880 EUR),
den von einer unterhaltspflichtigen Person abgeleiteten, an den "ehelichen Lebensverhältnissen" orientierten Bedarf (§ 1578 BGB),
und den "angemessenen" Unterhaltsbedarf, der allein durch die individuellen Verhältnisse der unterhaltsberechtigten Person — die Ehe hinweggedacht— definiert wird.
[48] Ausführlich zum Selbstbehalt Lipp, FamRZ 2012, 1 ff.

1. Selbstbehaltssätze (Stand 2022)

 

Rz. 45

 
  Selbstbehalt Darin enthaltene Kosten des Wohnens (Warmmiete)
Notwendiger Selbstbehalt nicht Erwerbstätiger 960,00 EUR 430,00 EUR
Notwendiger Selbstbehalt Erwerbstätiger 1.160,00 EUR 43,00 EUR
billiger Selbstbehalt (gegenüber Ehefrau) falls erwerbstätig 1.280,00 EUR 490,00 EUR
billiger Selbstbehalt (gegenüber Ehefrau) falls nicht erwerbstätig 1.180,00 EUR 490,00 EUR
angemessener Selbstbehalt (gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern) 1.400,00 EUR 5.500,00 EUR
     

2. Mindestbedarf des Unterhaltsberechtigten

 

Rz. 46

Der BGH hat einen Mindestbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten ausdrücklich anerkannt.[49]

Soll ein höherer Bedarf geltend gemacht werden, trägt hierfür die Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast.[50]

 

Rz. 47

 

Praxistipp:

Von praktischer Bedeutung ist dieser Mindestbedarf vor allem für den Anspruch aus § 1361 BGB und im Hinblick auf Unterhaltsansprüche, bei denen keine oder nur eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit besteht.
Der nicht erwerbstätige Berechtigte kann folglich einen Bedarf in Höhe des Mindestbedarfes geltend machen, ohne diesen weiter begründen zu müssen. Soweit der Anspruch nicht an eigenen ggf. fiktiven Einkünften im Rahmen der Bedürftigkeit scheitert, trägt der Pflichtige auf der Ebene der Leistungsfähigkeit die volle Darlegungs- und Beweislast.
Damit wird ein Großteil der Unterhaltsverfahren im Normalverdienerbereich abgedeckt, in denen der Unterhaltspflichtige nach Abzug des vorrangige Kindesunterhaltes nach seinen finanziellen Verhältnissen gar nicht in der Lage ist, einen höheren Ehegattenunterhalt als den Mindestunterhalt zu leisten.
Erteilt der Unterhaltspflichtige nur zögerlich oder unzureichend Auskunft über seine Einkünfte, ist es ratsam, erst einmal auf der Basis des Mindestbedarfes zu rechnen und ggf. mit diesem Argumentationsansatz sofort ein Zahlungsverfahren einzuleiten. Besteht die begründete Erwartung, dass der Anspruch aufgrund eines tatsächlich höheren Einkommens des Pflichtigen doch noch höher ausfallen wird, sollte deutlich gemacht werden, dass vorerst lediglich ein Teilbetrag geltend gemacht wird. Die Möglichkeiten der §§ 235, 236 FamFG sollten genutzt werden (dazu § 20 Rdn 98 ff.).

Dem Mindestbedarf des Berechtigten steht auf der anderen Seite der Selbstbehalt des Pflichtigen gegenüber, dessen Höhe zwar von der Art seiner Unterhaltspflicht abhängig ist, der den nur geringfügig über dem Existenzminimum pauschalierten Mindestbedarf aber keinesfalls unterschreitet.[51] Daher steht der Halbteilungsgrundsatz einem Mindestbedarf beim nachehelichen Unterhalt nicht entgegen.[52]

[49] BGH FamRZ 2010, 357 mit Anm. Maier = NJW 2010, 937 mit Anm. Hoppenz; Anm. Graba, FF 2010, 150; BGH FamRZ 2010, 802 mit Anm. Viefhues = NJW 2010, 1665.
[50] Ausführlich zur Darlegungs- und Beweislast im Unterhaltsrecht Bömelburg, FF 2015, 273 und FF 2015, 350.
[52] BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 204/08, FamRZ 2010, 802 mit Anm. Viefhues = NJW 2010, 1665.

3. Bedeutung der Wohnkosten

 

Rz. 48

Der in den Selbstbehaltssätzen ausgewiesene Betrag bezieht sich auf den Wohnbedarf eines Alleinstehenden und umfasst die Kaltmiete, die zusätzlich zum notwendigen Lebensbedarf aufzubringenden allgemeinen Nebenkosten sowie Heizung und Warmwasser. Die Tabelle enthält den ausdrücklichen Hinweis in der Tabelle, dass der notwendige bzw. der angemessene Eigenbedarf erhöht werden sollen, wenn die Wohnkosten diese Werte übersteigen und nicht unangemessen sind.

Die konkret anfallenden Wohnkosten sind daher als eigenständiger Bemessungsfaktor grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen und lediglich auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. Nach der Düsseldorfer Tabelle (Anm. A 5) ist Prüfungsmaßstab die jeweils nach dem örtlichen Wohnungsmarkt zu beurteilende Angemessenheit der tatsächlichen Wohnkosten und nicht deren potenzielle Vermeidbarkeit.

Erforderlich ist entsprechender Sachvortrag nicht nur zur konkreten Höhe der Warmmiete, sondern auch zur Angemessenheit auf der Basis der konkreten Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes.

4. Herabsetzung des Selbstbehaltes des Pflichtigen wegen Zusammenleben mit einem neuen Partner (sog. Synergieeffekt)

 

Rz. 49

Nach der Rechtsprechung kann bei Zusammenleben mit einem neuen Partner der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtig...

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