Rz. 377

Zu Schwierigkeiten kann in der Praxis die häufig in Laientestamenten enthaltene Formulierung führen, dass eine bestimmte Person nur ihren Pflichtteil erhält. Es stellt sich dann konkret die Frage, ob eine solche Anordnung lediglich eine Feststellung, eine Enterbung, eine Erbeinsetzung in Höhe des Pflichtteils oder gar eine Vermächtniszuweisung in Höhe des Pflichtteilsbetrages ist.[462]

 

Rz. 378

Was der Erblasser letztendlich gewollt hat, ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln. Es stellt sich die Frage, ob der Erblasser dem Betroffenen lediglich eine Mindestbeteiligung am Nachlass zukommen lassen oder ob er ihn begünstigen wollte. § 2304 BGB enthält für diesen Fall eine Auslegungsregel dahin gehend, dass die Zuwendung des Pflichtteils im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen sei. Es besteht dann aber noch die Möglichkeit, dass die Zuwendung des Pflichtteils als Vermächtnis angeordnet ist mit der Folge, dass der Bedachte den Pflichtteil durch letztwillige Verfügung und nicht kraft Gesetzes erhält.

Die Unterscheidung zwischen Pflichtteilsanspruch und Vermächtnis hat praktische Bedeutung: Im Gegensatz zur Vermächtnisforderung ist die Pflichtteilsforderung nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO pfändbar. Nach dem Erbfall kann der Berechtigte nur durch einen nicht formbedürftigen Vertrag mit dem Erben verzichten. Ein Vermächtnis hingegen kann ausgeschlagen werden. Wird das Vermächtnis ausgeschlagen, hat diese Ausschlagung keinen Schenkungscharakter. Der vertragsmäßige Verzicht auf den Pflichtteil kann hingegen Schenkung sein.[463] Ein Verzicht auf das künftige Pflichtteilsrecht (vor Eintritt des Erbfalls) ohne Entgelt ist hingegen nicht steuerbar. Unterschiede in der Verjährung ergeben sich seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts am 1.1.2010 nicht mehr. Bis dahin verjährte der Pflichtteilsanspruch nach drei Jahren, der Vermächtnisanspruch hingegen erst nach 30 Jahren.

 

Rz. 379

Beim Ehegatten, der mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, ist im Falle der vermächtnisweisen Zuwendung des Pflichtteils durch Auslegung zu ermitteln, ob der kleine oder der große Pflichtteil zugewandt wurde. Eine Regelvermutung lässt sich insoweit schwerlich aufstellen.[464] Wenn der Erblasser die Anwendung der gesetzlichen Regelungen das Pflichtteilsrecht betreffend erkennbar vermeiden will und er damit dem überlebenden Ehegatten den Weg zum großen Pflichtteil eröffnen will, wird von einer Vermächtnisanordnung auszugehen sein.[465] Führt die Auslegung dazu, dass es sich bei der Zuwendung des Pflichtteils um eine Erbeinsetzung handelt, ist zu beachten, dass eine Ausschlagung gem. § 1371 Abs. 3 BGB durch den Ehegatten erfolgen muss, wenn er neben seinem kleinen Pflichtteil auch noch den konkreten Zugewinnausgleich haben möchte.

 

Rz. 380

 

Hinweis

Gemäß § 17 BeurkG obliegt dem Notar bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments eine Belehrungspflicht dahin gehend, den Erblasser auf die Pflichtteilsrechte und deren Bedeutung im Erbfall hinzuweisen.

[462] BeckOK/Müller-Engels, § 2304 Rn 1; MüKo/Lange, § 2304 Rn 6; vgl. hierzu auch die Entscheidung des OLG Nürnberg ZErb 2003, 161.
[463] Näher hierzu Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 Rn 237.
[464] Damrau/Tanck/Riedel, § 2304 Rn 23; BeckOK/Müller-Engels, § 2304 Rn 14.
[465] MüKo/Lange, § 2304 Rn 13; NK-BGB/Bock, § 2304 Rn 13.

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