Rz. 474

Ein in der Praxis oft übergangenes Problem ist die Vermutungsregelung des § 2268 Abs. 2 BGB, der die Frage regelt, ob im Falle der Erhebung der Klage auf Auflösung oder Scheidung der Ehe oder im Falle der Zustimmung zur Scheidung durch den Erblasser eine Verfügung wirksam bleiben soll.[573] Um hier eine mögliche Auslegung zu vermeiden, sollte sowohl positiv als auch negativ die Feststellung getroffen werden, ob die Verfügung auch bei den oben genannten Voraussetzungen gelten soll oder nicht.

 

Rz. 475

Im Rahmen der Gestaltung der gemeinschaftlichen Verfügung von Todes wegen ist letztlich auch immer eine Regelung für den Fall der Scheidung aufzunehmen. Nach §§ 2077, 2268 BGB spricht eine Vermutung dafür, dass das gemeinschaftliche Testament unwirksam ist, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde. Es handelt sich hierbei jedoch lediglich um eine Auslegungsregel. Der Wille des Erblassers geht daher in jedem Falle vor. Gemäß § 2077 Abs. 3 BGB ist eine Verfügung dann nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde. Eine gleich lautende Regelung enthält § 2268 Abs. 2 BGB. Es ist also stets, wenn keine ausdrückliche Regelung für den Fall der Scheidung im Testament enthalten ist, durch Auslegung zu ermitteln, ob die Verfügungen auch für den Fall einer Scheidung Bestand haben sollen.

 

Rz. 476

In den Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen, die Ehe jedoch noch nicht geschieden ist, gilt die Auslegungsregel nur dann, wenn der Scheidungsantrag durch den Erblasser gestellt worden ist.[574] Sowohl bei der Einsetzung von Schwiegerkindern[575] als auch bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft[576] gilt die Regelung des § 2077 BGB nicht.

 

Rz. 477

Der BGH[577] geht davon aus, dass über die Regelung des § 2268 Abs. 2 BGB wechselbezügliche Verfügungen auch nach Scheidung wechselbezüglich bleiben können. Dies hat zur Folge, dass sie nicht durch einseitige Verfügung aufgehoben werden können und daher ein notarieller Widerruf erforderlich ist. Die Scheidung führt demgemäß u.U. nicht dazu, dass der geschiedene Ehepartner seine Testierfreiheit wiedererlangt. Dies macht umso mehr eine exakte Formulierung für den Fall der Scheidung erforderlich.

[573] Zum Scheidungsantrag und Ehegattenerbrecht Bonefeld, ZErb 2002, 68.
[574] Mayer, ZEV 1997, 280.
[576] BayObLG ZEV 2003, 328.

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