Rz. 99

 

Hinweis

Zum Verletzungsverdacht siehe auch unten (vgl. Rn 209; § 4 Rn 220 f.).

 

Rz. 100

Ein Unfallgeschädigter kann die durch eine ärztliche Untersuchung oder Behandlung entstandenen Kosten vom Schädiger nur ersetzt verlangen, wenn der Unfall zu einer Körperverletzung geführt hat. Die bloße Möglichkeit oder der Verdacht einer Verletzung genügt dafür nicht. Der bloße Verletzungsverdacht steht einer Verletzung haftungsrechtlich nicht gleich.[133] Ist die Unfallbedingtheit geklagter Beschwerden nicht bewiesen, besteht keine Grundlage für einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten.[134]

 

Rz. 101

Die Aufwendungen für den Arzt und für die von ihm aufgrund seiner Verdachtsdiagnose eingeleiteten Maßnahmen und auch die Kosten eines von ihm ausgestellten Attestes, das der Geschädigte zur Durchsetzung seiner Ersatzansprüche wegen der vermeintlich erlittenen Personenschäden verwenden will, sind nur entschädigungspflichtig, wenn die angenommene unfallbedingte Körper- oder Gesundheitsverletzung tatsächlich verifiziert wird, weil nur sie und nicht schon der Unfall als solcher gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die Haftung gemäß § 7 I StVG, § 823 I BGB ist.[135] In Fällen der Körperverletzung oder der Herbeiführung eines Gesundheitsschadens ist nur eine tatsächlich eingetretene Schädigung haftungsbegründend. Die bloße Möglichkeit oder der Verdacht einer Schädigung genügt dafür nicht.[136]

 

Rz. 102

Ist eine Primärverletzung nicht bewiesen, fehlt es an einer Körperverletzung i.S.d. Haftpflichttatbestände (z.B. § 823 BGB, § 7 StVG).[137] Ebenso wenig wie Verdienstausfall[138] sind damit mangels Rechtsgutverletzung Fahrtkosten zu Ärzten,[139] Attestkosten,[140] Befund-/Diagnosekosten,[141] Transportkosten,[142] Krankengymnastik,[143] Medikamente,[144] Physio­therapie,[145]

Rezeptkosten[146] und andere Behandlungskosten zu ersetzen.[147] Auch Rechtsanwaltskosten sind, soweit es um Körperschadenersatzansprüche geht, nicht zu ersetzen.[148]

 

Rz. 103

Auch ein Anspruch von Drittleistungsträgern (z.B. Krankenkasse nach "rein vorsorglicher Untersuchung";[149] Arbeitgeber wegen ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung[150]) entfällt daher mangels in der Person des unmittelbar Unfallbeteiligten entstandenen Anspruchs.[151]

 

Rz. 104

Die Rechtsprechung (siehe Rn 42 ff.), wonach auch ohne festgestellte Substanzverletzung allein aufgrund eines der betroffenen Sache anhaftenden und zu einer Wertminderung führenden Schadensverdachts ein Untersuchungsrecht bestehen kann, ist nicht auf Personenschäden übertragbar:[152] Beim Körperschaden gibt es kein Äquivalent zum Minderwert (§ 849 BGB).

 

Rz. 105

Bleibt die schwangere Mutter beim Unfall unverletzt, besteht kein Anspruch auf medizinische Untersuchung des ungeborenen Kindes (Nasciturus). Der entsprechende Ersatzanspruch setzt eine Verletzung von Mutter oder ungeborenem Kind voraus. Nur der – im Nachhinein unbegründete – Verdacht einer Verletzung ist nicht schützenswert.

[133] OLG Hamm v. 23.6.2003 – 6 U 99/02 – r+s 2003, 434 (436) = SP 2003, 380. Lemcke r+s 2013, 570.
[134] BGH v. 17.9.2013 – VI ZR 95/13 – DAR 2014, 84 = jurisPR-VerkR 22/2013 Anm. 1 (Anm. Wenker) = MDR 2013, 1343 = NJW 2013, 3634 = NJW-Spezial 2013, 681 = NZV 2014, 23 (Anm. Huber) = r+s 2013, 570 (Anm. Lemcke) = SP 2013, 428 = UV-Recht Aktuell 2013, 1183 = VersR 2013, 1406 = zfs 2014, 19 m.w.N. (LG Chemnitz v. 14.2.2014 – 6 S 264/11 – hat nach Zurückverweisung durch den BGH nach erneuter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen).
[135] OLG Hamm v. 23.6.2003 – 6 U 99/02 – r+s 2003, 434 (436 ff.) = SP 2003, 380; AG Nettetal v. 24.11.2006 – 17 C 229/05 – SP 2007, 211; AG Bottrop v. 26.4.2007 – 11 C 16/06 – SP 2008, 147.
[136] BGH v. 17.9.2013 – VI ZR 95/13 – DAR 2014, 84 = jurisPR-VerkR 22/2013 Anm. 1 (Anm. Wenker) = MDR 2013, 1343 = NJW 2013, 3634 = NJW-Spezial 2013, 681 = NZV 2014, 23 (Anm. Huber) = r+s 2013, 570 (Anm. Lemcke) = SP 2013, 428 = UV-Recht Aktuell 2013, 1183 = VersR 2013, 1406 = zfs 2014, 19 m.w.N. (LG Chemnitz v. 14.2.2014 – 6 S 264/11 – hat nach Zurückverweisung durch den BGH nach erneuter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen).
[137] BGH v. 17.9.2013 – VI ZR 95/13 – DAR 2014, 84 = jurisPR-VerkR 22/2013 Anm. 1 (Anm. Wenker) = MDR 2013, 1343 = NJW 2013, 3634 = NJW-Spezial 2013, 681 = NZV 2014, 23 (Anm. Huber) = r+s 2013, 570 (Anm. Lemcke) = SP 2013, 428 = UV-Recht Aktuell 2013, 1183 = VersR 2013, 1406 = zfs 2014, 19 m.w.N. (LG Chemnitz v. 14.2.2014 – 6 S 264/11 – hat nach Zurückverweisung durch den BGH nach erneuter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen).
[138] AG Bottrop v. 26.4.2007 – 11 C 16/06 – SP 2008, 147.
[139] LG Bremen v. 23.4.2009 – 7 S 196/07 – jurisPR-VerkR 5/2010 Anm. 4 (Anm. Jahnke) = SP 2009, 363.
[140] OLG Koblenz v. 12.6.2006 – 12 U 29/06 – SP 2006, 349 (Attestkosten sind bereits von der allgemeinen Kostenpauschale abgedeckt); LG Bremen v. 23.4.2009 – 7 S 196/07 – jurisPR-VerkR 5/2010 Anm. 4 (Anm. Jahnke) = SP 2009, 363; AG Bottrop v. 26.4.2007 – 11 C 16/06 – SP 2008, 147; Anmerkung zu AG Berlin v. 19.4.2007 ...

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