Rz. 70

Aus unfallbedingten Primärverletzungen können sich körperliche oder psychische Folgeschäden entwickeln. Für diese sekundären Unfallfolgen kann der Schädiger eintrittspflichtig sein.

 

Rz. 71

Eine psychische Störung, die auf einer vorangegangenen Körper- oder Gesundheitsverletzung beruht, kann dem Schädiger als weitere Schadensfolge zuzurechnen sein, wenn sie nicht mehr selbstständig den Tatbestand der Körper- oder Gesundheitsverletzung erfüllt;[106] der BGH spricht hier nur noch von Folgewirkungen.[107] Die Haftung besteht selbst dann, wenn es sich um einen Therapieschaden handelt.[108]

 

Rz. 72

Bei psychischen Befindlichkeitsbeeinträchtigungen ist die Unterscheidung wichtig, ob es sich um eine primäre Unfallfolge handelt oder nur um eine sekundäre: Psychische primäre Unfallfolgen müssen selbstständig Krankheitswert haben, für sekundäre psychische Folgewirkungen gilt das nicht.

 

Rz. 73

Macht der Anspruchsteller einen Erwerbsschaden wegen Unfalltodes seiner Ehefrau mit der Begründung geltend, er sei wegen psychischer Beeinträchtigungen aufgrund der veränderten Familiensituation nicht befördert worden, steht ihm ein Ersatzanspruch nur dann zu, wenn er nachweist, durch den Tod seiner Ehefrau in eigenen absoluten Rechten verletzt worden zu sein.[109]

 

Rz. 74

Besteht bei zwei voneinander unabhängigen Schadensfällen (insbesondere HWS-Verletzungen) der Beitrag des Erstunfalls zum endgültigen Schadensbild nur darin, dass eine anlagebedingte Neigung des Geschädigten zu psychischer Fehlverarbeitung geringfügig verstärkt wird, reicht das nicht aus, um eine Haftung des Erstschädigers für die Folgen des Zweitunfalls zu begründen.[110]

[106] BGH v. 16.11.1999 – VI ZR 257/98 – DAR 2000, 117 = MDR 2000, 267 = NJW 2000, 862 = NZV 2000, 121 = r+s 2000, 71 = SP 2000, 41 = VersR 2000, 372 = VRS 98, 162 = zfs 2000, 101; BGH v. 11.11.1997 – VI ZR 146/96 – DAR 1998, 66 = MDR 1998, 159 (Anm. van Bühren) = NJW 1998, 813 = NZV 1998, 110 (Anm. Heß NZV 1998, 402) = r+s 1998, 22 = SP 1998, 41 = VersR 1998, 200 (Anm. Wessels VersR 2000, 284) = VRS 94, 241 = zfs 1998, 92; BGH v. 11.11.1997 – VI ZR 376/96 – BGHZ 137, 142 = DAR 1998, 63 = DB 1998, 672 (nur Ls.) = HVBG-Info 1998, 553 = JA 1998, 441 (nur Ls.) (Anm. Roth) = JuS 1998, 657 (Anm. Emmerich) = JZ 1998, 680 (Anm. Schiemann) = MDR 1998, 157 (Anm. van Bühren, Anm. Schäfer MDR 1998, 1080) = NJW 1998, 810 = NJWE-VHR 1998, 108 (nur Ls.) = NZV 1998, 65 (Anm. Heß NZV 1998, 402) = r+s 1998, 20 = SP 1998, 39, 104 = VersR 1998, 201 (Anm. Wessels VersR 2000, 284) = VRS 94, 243 = zfs 1998, 93; BGH v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95 – BGHZ 132, 341 = DAR 1996, 351 = HVBG-Info 1996, 2083 = JZ 1996, 1080 (Anm. Schlosser) = MDR 1996, 886 (Anm. Jäger) = NJW 1996, 2425 = NZV 1996, 353 = r+s 1996, 303 (Anm. Lemcke) = SP 1996, 270 = VersR 1996, 990 (Anm. Frahm VersR 1996, 1212) = VRS 91, 414 = zfs 1996, 290 (Anm. Diehl); BGH v. 16.3.1993 – VI ZR 101/92 – DAR 1993, 226 = MDR 1993, 1066 = NJW 1993, 589 = NZV 1993, 224 = r+s 1993, 258 (nur Ls.) = VersR 1993, 589 = VRS 85, 255 = zfs 1993, 190; LG Hamm v. 27.5.1992 – 13 U 170/91 – r+s 1994, 57 = VersR 1993, 1166 = VRS 84, 253; OLG Koblenz v. 30.7.2012 – 12 U 1089/10 – SP 2013, 217; siehe ferner Müller "Spätschäden im Haftpflichtrecht" VersR 1998, 129 = Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV – Homburger Tage 1997, S. 7; Müller "Der HWS-Schaden – Bestandsaufnahme und Perspektiven" VersR 2003, 137.
[107] BGH v. 16.11.1999 – VI ZR 257/98 – DAR 2000, 117 = MDR 2000, 267 = NJW 2000, 862 = NZV 2000, 121 = r+s 2000, 71 = SP 2000, 41 = VersR 2000, 372 = VRS 98, 162 = zfs 2000, 101.
[109] KG v. 10.6.2004 – 12 U 315/02 – DAR 2005, 25 = KGR 2004, 576 = NZV 2005, 315 = VRS 107, 258 (Ein Schadensersatzanspruch wegen psychischer Beeinträchtigung aufgrund des Unfalltodes der Ehefrau setzt voraus, dass das gesundheitliche Leiden nach Art und Schwere Krankheitswert hat, also deutlich über das hinausgeht, was Nahestehende als mittelbar Betroffene erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen aufgrund einer Trauerreaktion erleiden); Böhme/Biela, Kap. 4 Rn 237.
[110] BGH v. 16.3.2004 – VI ZR 138/03 – BGHReport 2004, 1020 = DAR 2004, 382 = MDR 2004, 1058 = NJW 2004, 1945 = NZV 2004, 344 = r+s 2004, 255 = SP 2004, 225 = SVR 2004, 379 (Anm. Bachmeier) = VersR 2004, 874 = VRS 106, 402 = zfs 2004, 349; BGH v. 20.11.2001 – VI ZR 77/00 – BGHReport 2002, 194 = DAR 2002, 115 = MDR 2002, 215 = NJW 2002, 504 = NJW-RR 2002, 527 = NZV 2002, 113 = PVR 2002, 223 = r+s 2002, 107 = SP 2002, 89 = VersR 2002, 200 = VRS 102, 1 = zfs 2002, 121. Lemcke r+s 2013, 572.

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