Rz. 6

Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, wenn sich der Kläger – wie hier – zum Schadensnachweis mit Ausnahme des darin ermittelten Restwerts auf die Feststellungen in dem von ihm eingeholten Gutachten berufe, sei es seine Sache darzutun und nachzuweisen, dass der nach dem Gutachten an sich zu erzielende Restwert nicht zu realisieren sei und das Fahrzeug daher nur zu dem tatsächlich erzielten Preis habe verkauft werden können. Der Kläger sei als Anspruchsteller verpflichtet, die Höhe des ihm entstandenen Schadens nachzuweisen. Dieser Nachweis sei ihm durch das vom Amtsgericht eingeholte Gutachten nicht gelungen. Danach wären zu dem maßgeblichen Zeitpunkt auf dem regionalen Markt Restwerte von 300 EUR bis 1.500 EUR zu realisieren gewesen.

 

Rz. 7

Jedenfalls habe der Kläger gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB verstoßen. Könne nach Auffassung des Geschädigten ein Verkauf nur unter dem von dem eigenen Sachverständigen angenommenen Restwert stattfinden, sei es seine Sache, den Schädiger bzw. dessen Versicherer davon in Kenntnis zu setzen und unter Fristsetzung die Möglichkeit zu geben, ein Angebot zu dem im Gutachten festgesetzten Restwert zu vermitteln. Der Kläger habe die Beklagte zwar davon in Kenntnis gesetzt, dass er das Fahrzeug zu einem Preis von 300 EUR verkaufen wolle. Die gesetzte Frist von drei Tagen für die vollständige Kaufabwicklung sei jedoch nicht angemessen gewesen. Unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten sowie der noch erforderlichen Kontaktaufnahme zwischen der Beklagten und potentiellen Anbietern sei es vielmehr zumutbar gewesen, eine Frist von acht Tagen für ein verbindliches Angebot zu setzen. Der Kläger müsse sich daher so behandeln lassen, als sei ihm das Angebot der im Gutachten aufgeführten Firma rechtzeitig zugegangen. Es sei kein Interesse des Geschädigten erkennbar, das verbindliche Angebot eines nicht ortsansässigen Aufkäufers auszuschlagen.

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Rz. 8

Ohne Rechtsfehler war das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Geschädigte im Totalschadensfall, wenn er von der Ersetzungsbefugnis des § 249 S. 2 BGB a.F. (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB) Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, nur Ersatz des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts verlangen kann.

 

Rz. 9

Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, steht eine solche Ersatzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, das auch für die Frage gilt, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 S. 2 BGB a.F. im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat – sogenannte "subjektbezogene Schadensbetrachtung". Ein Geschädigter ist allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen und kann vom Schädiger auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielt werden könnte. Nach diesen Grundsätzen leistet der Geschädigte dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 S. 2 BGB a.F. gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

 

Rz. 10

Demgegenüber musste sich im Streitfall der Kläger den von seinem Sachverständigen ermittelten Restwert schon deshalb nicht anrechnen lassen, weil dessen Gutachten nicht den vorstehend dargelegten Grundsätzen entsprach, die insoweit auch für die Restwertermittlung durch einen vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen gelten. Der Sachverständige hatte nämlich den Restwert nicht auf dem dem Kläger zugänglichen allgemeinen regionalen Markt, sondern anhand eines über das Internet recherchierten Angebots eines in der Nähe der tschechischen Grenze ansässigen Restwerthändlers ermittelt, auf das sich der Kläger nicht einzulassen brauchte, zumal die konkrete Abwicklung nicht geklärt war (vgl. hierzu Senatsurt. BGHZ 143, 189, 196). Unter diesen Umständen konnte das vom Kläger eingeholte Gutachten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine geeignete Grundlage für die Bestimmung des Restwerts bilden.

 

Rz. 11

In einer solchen Situation braucht der Geschädigte kein weiteres Sachverständigengutachten zum Restwert einzuholen und muss grundsätzlich auch nicht den Haftpflichtversicherer über den beabsichtigten Verkauf seines beschädigten Fahrzeugs informieren, weil andernfalls die ...

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