Rz. 75

BGH, Urt. v. 27.9.2016 – VI ZR 673/15, VersR 2017, 56

Zitat

BGB §§ 249, 254

a) Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Fortführung Senatsurt. v. 1.6.2010 – VI ZR 316/09, VersR 2010, 963).
b) Er ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch ist er nicht gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.

a) Der Fall

 

Rz. 76

Der Kläger nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf restlichen Schadensersatz in Anspruch.

Der Pkw des Klägers wurde am 3.2.2014 bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Der Beklagte war als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach voll einstandspflichtig. In einem vom Kläger eingeholten Schadensgutachten vom 4.2.2014 wurde der Restwert seines Fahrzeugs auf der Grundlage von vier auf dem regionalen Markt eingeholten Angeboten mit 10.750 EUR beziffert, der – zwischen den Parteien unstreitige – Wiederbeschaffungswert mit netto 27.804,88 EUR. Mit anwaltlichem Schreiben vom 7.2.2014 übersandte der Kläger das Gutachten dem Beklagten, wo es am 8.2.2014 einging. Der Beklagte bestätigte den Eingang mit Telefax vom 11.2.2014 und teilte zugleich mit, die Schadensunterlagen momentan zu prüfen. Ebenfalls am 11.2.2014 verkaufte der Kläger das beschädigte Fahrzeug für 11.000 EUR an einen nicht ortsansässigen Käufer. Mit Schreiben vom 13.2.2014 legte der Beklagte dem Kläger mehrere höhere Angebote für das beschädigte Fahrzeug vor, darunter ein verbindliches Angebot eines ebenfalls nicht ortsansässigen Händlers über 20.090 EUR. Den im Wiederbeschaffungsaufwand liegenden Schaden des Klägers rechnete der Beklagte sodann auf der Grundlage eines Restwerts von 20.090 EUR ab. Mit seiner Klage verlangte der Kläger vom Beklagten den Differenzbetrag in Höhe von 9.090 EUR aus dem vom Beklagten angesetzten Restwert (20.090 EUR) und dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös (11.000 EUR) sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 887,03 EUR, jeweils nebst Zinsen.

 

Rz. 77

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 78

Das Berufungsurteil hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats hatte das Berufungsgericht der Schadensberechnung zu Recht einen Restwert des Unfallfahrzeugs von nur 11.000 EUR zugrunde gelegt. Durchgreifende Gründe, seine Rechtsprechung zu ändern, sah der Senat nicht.

 

Rz. 79

Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwerts verlangen. Als Variante der Naturalrestitution steht auch die Ersatzbeschaffung unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat. Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt daher auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten (vgl. zum Ganzen: Senatsurt. v. 1.6.2010 – VI ZR 316/09, VersR 2010, 963 Rn 6, m.w.N.).

 

Rz. 80

Weiter ist in der bisherigen Rechtsprechung des Senats anerkannt, dass der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge leistet und sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen bewegt, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter S...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge