1. Zustandekommen der Ehe

a) Rechtsgrundlage

 

Rz. 9

Für das Zustandekommen der Ehe gibt es noch keine einheitlichen europäischen Rechts- oder Kollisionsnormen. Maßgeblich sind daher weiterhin grundsätzlich die autonomen nationalen Kollisionsnormen, in Deutschland also Art. 13 EGBGB. Noch nicht absehbar ist, inwieweit sich hier durch die "Anerkennung" von Heiratsurkunden etwas anderes ergeben könnte. Sollten die Pläne der Kommission zur gegenseitigen Anerkennung von Personenstandsurkunden dazu führen, dass eine in einem Mitgliedstaat der EU auf der Basis der dort geltenden Rechtsregeln wirksam abgeschlossene Ehe über den Weg der Anerkennung der dort über die Eheschließung ausgestellten Heiratsurkunden anschließend in allen anderen Mitgliedstaaten ohne Rücksicht auf die dort geltenden Normen des IPR als rechtswirksam anerkannt werden muss, so würde damit faktisch das nationale Recht in Art. 13 EGBGB (und auch in Art. 17b Abs. 1 EGBGB) weitgehend ausgehebelt.

b) Materielle Voraussetzungen der Eheschließung

 

Rz. 10

Für die Prüfung der Wirksamkeit einer Eheschließung wird zwischen formellen und materiellen Voraussetzungen unterschieden. Für die materiellen Voraussetzungen (Heiratsalter, Fehlen von Ehehindernissen etc.) verweist Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden der Verlobten auf dessen jeweiliges Heimatrecht. Die Grenze bilden sog. zweiseitige Ehehindernisse, die nach ihrem Inhalt auch die Person des anderen Verlobten einbeziehen.

 

Beispiele

So kann ein Deutscher eine 15-jährige Iranerin heiraten, da diese nach ihrem Heimatrecht heiratsfähig ist (Minderjährigkeit als einseitiges Ehehindernis). Eine deutsche Staatsangehörige kann aber nicht einen bereits ein- oder mehrfach verheirateten Saudi heiraten, selbst wenn das saudische Recht diesem die weitere Eheschließung erlauben sollte, denn das für die Deutsche geltende Verbot der Mehrehe in § 1306 BGB ist zweiseitiges Ehehindernis, das auch verbietet, eine verheiratete Person zu ehelichen.[6]

 

Rz. 11

Das verletzte Recht bestimmt auch die Folgen des Verstoßes. So wäre im Saudi-Fall (Rdn 10) die auf Seiten des Ehemannes bigamische Ehe gem. §§ 1306, 1314 BGB aufhebbar, aber wirksam.[7] Bis zur Aufhebung beerben sich die Eheleute also gegenseitig als Ehegatten. Sind beide Rechte verletzt, so setzt sich das Recht durch, das die weitergehenden Rechtsfolgen anordnet (Grundsatz des ärgeren Rechts).[8]

[6] Palandt/Brudermüller, 78. Aufl. 2019 § 1306 BGB Rn 2.
[7] Mehrehen von Personen, deren Heimatrecht die Einehe vorschreibt, kommen besonders in internationalen Lebensläufen vor. Bei deutschem Erbstatut erben bis zur Aufhebung beide Gatten des polygamen Erblassers bzw. der polyandrischen Erblasserin, müssen sich aber die gesetzliche Ehegattenerbquote hälftig teilen: KG OLGZ 1977, 386; MüKo-BGB/Leipold, 6. Aufl. 2013, § 1931 BGB Rn 11. Etwas anderes gilt dann, wenn auch das Heimatrecht des zweiten Ehegatten Mehrehen verbietet und als Rechtsfolge deren Nichtigkeit ipso iure anordnet (wie z.B. das philippinische Recht): Dann setzt sich das strengere Recht durch und die Ehe ist Nichtehe (Grundsatz des ärgeren Rechts), BGH FamRZ 1991, 303; OLG Frankfurt ZEV 2001, 493; Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Art. 13 EGBGB Rn 15.
[8] BGH FamRZ 1991, 303; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 20 IV 3, S. 812.

c) Formelle Voraussetzungen der Eheschließung

 

Rz. 12

Für die Formwirksamkeit der Eheschließung genügt gem. Art. 11 Abs. 1 Fall 2 EGBGB die Einhaltung des am Eheschließungsort geltenden Rechts. Der Gegenstand der Form ist weit gegriffen und umfasst z.B. die Zulässigkeit der Stellvertretung – soweit sie nicht die Befugnis zur Auswahl des Partners umfasst[9] –, das Erfordernis eines Aufgebots und das für die Eheschließung zuständige Organ, insbesondere die Zulässigkeit einer Eheschließung durch einen Geistlichen.[10] Auch zwei deutsche Staatsangehörige können daher z.B. in Italien oder Spanien entsprechend dem Ortsrecht vor dem katholischen Priester heiraten.

 

Rz. 13

Alternativ genügt gem. Art. 11 Abs. 1 Fall 1, Art. 13 Abs. 1 EGBGB für die Formwirksamkeit die Einhaltung der Formerfordernisse, die sich aus dem auf die materiellen Voraussetzungen anwendbaren Recht ergeben, also beider (kumulativ) Heimatrechte der Verlobten. Die sich hieraus für ausländische Verlobte grundsätzlich ergebende Möglichkeit, auch im Inland in der Form ihres gemeinsamen Heimatrechts zu heiraten, wird aber durch Art. 13 Abs. 4 EGBGB wieder kassiert. In Deutschland kann die Ehe nur in der nach deutschem Recht vorgeschriebenen standesamtlichen Form geschlossen werden. Raum für Ausnahmen lässt hier allein Art. 13 Abs. 4 S. 2 EGBGB für bestimmte Fälle. Diese einseitige Betonung angeblicher öffentlicher Interessen im Inland provoziert aus deutscher Sicht formnichtige (hinkende) Ehen. Dennoch kommen immer wieder Fälle vor, in denen Griechen oder Orientalen in Deutschland von einem Geistlichen getraut wurden[11] und dieser die Ermächtigung nach Art. 13 Abs. 4 S. 2 EGBGB nicht besaß.[12] Diese Ehen sind aus deutscher Sicht Nicht-Ehen, es entstehen weder die einem Ehegatten zustehenden gesetzlichen Erb- oder Pflichtteilsrechte noch güterrechtliche Ansprüch...

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