Rz. 93

Nach wohl einhelliger Ansicht der Lehre[92] – die auch vom BGH bestätigt wurde[93] – ist unter der Geltung von Art. 25 EGBGB die Regelung des § 1371 BGB als güterrechtliche Vorschrift anzuwenden. Das güterrechtliche Viertel ist also immer dann zu gewähren, wenn die Eheleute in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts gelebt haben, und zwar auch dann, wenn die Erbfolge nicht deutschem, sondern einem ausländischen Erbrecht unterliegt.

 

Rz. 94

Soweit das Erbstatut nach der EuErbVO bestimmt wird (vgl. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO), ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf zu beachten (dazu Rdn 90). Danach ist § 1371 Abs. 1 BGB eine erbrechtlich zu qualifizierende Regelung. Das bedeutet, dass unabhängig von der Geltung deutschen oder ausländischen Güterrechts diese Vorschrift ausschließlich dann zur Anwendung kommen kann, wenn deutsches Erbrecht als Erbstatut berufen ist. Daraus ergeben sich für die praktische Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB in internationalen Fällen nun folgende Konsequenzen:

1. Ist deutsches Recht sowohl als Erbstatut als auch als Güterstatut berufen und lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand, so ergeben sich keinerlei Probleme.[94] Die gesetzliche Ehegattenerbquote bestimmt sich nach §§ 1931 Abs. 1, 3, 1371 Abs. 1 BGB.
2. Ist deutsches Recht weder auf die Erbfolge noch auf den Güterstand anwendbar, so ergibt sich kein Ansatz für die Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB. Die Erbquote bestimmt sich unter ausschließlicher Anwendung des ausländischen Erbstatuts. Auch das ist unproblematisch.
3. Ist ausländisches Erbstatut anwendbar, so kommt § 1371 Abs. 1 BGB als erbrechtliche Regelung selbst dann nicht zur Anwendung, wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts lebten. Zutreffenderweise erfolgt der Zugewinnausgleich dann nach den §§ 1372 ff. BGB auf mathematischem Wege. Der überlebende Ehegatte hat dann die Wahl, ob der den Ausgleich durchführt.[95] Allerdings ergibt sich m.E. hier eine Grenze: Erhält der überlebende Ehegatte bereits nach dem ausländischen Erbrecht eine gesetzliche Ehegattenerbquote, die die ihm nach § 1931 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB bei Geltung deutschen Erbstatuts hypothetisch zustehende Erbquote erreicht oder gar übersteigt, so ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen § 1371 Abs. 1 und § 1371 Abs. 2 BGB, dass der überlebende Ehegatte bereits auf erbrechtlichem Wege hinreichend abgefunden worden ist und die Geltendmachung des Zugewinnausgleichs auf güterrechtlichem Wege ausgeschlossen sein soll (teleologische Reduktion).[96]
4. Ist deutsches Erbstatut anwendbar, so kommt § 1371 Abs. 1 BGB als erbrechtliche Regelung grundsätzlich auch dann zur Anwendung, wenn die Eheleute in einem gesetzlichen Güterstand des ausländischen Rechts lebten. Das bedeutet aber nicht, dass damit dann automatisch auch das güterrechtliche Viertel gewährt wird. Dieses wird nämlich auch bei Geltung deutschen Güterrechts nur dann gewährt, wenn die Eheleute in "Zugewinngemeinschaft" lebten. Es ist daher zu prüfen, ob der ausländische Güterstand, in dem die Eheleute lebten, mit der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts gleich behandelt werden kann. Es handelt sich also um eine Frage der Substitution. Diese verlangt m.E. zunächst (1) dass der Güterstand bei Auflösung des Güterstands unter Lebenden eine vermögensrechtliche Partizipation vorsieht, eine solche Teilung aber (2) im Erbfall nicht durchgeführt wird, sondern der Ehegatte dann ausschließlich erbrechtlich beteiligt wird. Das wäre z.B. bei einer reinen Gütertrennung (wie sie z.B. im japanischen oder im islamischen Recht existiert) nicht der Fall. Hier würde sich die Erbquote nach der Sonderregelung des § 1931 Abs. 4 BGB bestimmen. Um eine Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten zu vermeiden, wären aber wiederum sämtliche Güterstände auszuscheiden, bei denen im Fall der Beendigung durch Tod ebenfalls ein güterrechtlicher Ausgleich stattfindet. Das ist immer in der Gütergemeinschaft der Fall, auch z.B. in der weitverbreiteten Form der "Errungenschaftsgemeinschaft". Das trifft aber auch auf die "Zugewinngemeinschaft" des französischen, des griechischen und des Schweizer sowie des türkischen Rechts sowie auf den deutsch-französischen Wahlgüterstand zu. Im österreichischen Recht dagegen wird eine "Teilung der ehelichen Ersparnisse" ausschließlich bei Scheidung der Ehe durchgeführt. Im englischen Recht wird bei Scheidung der Ehe das marital property vom Gericht mehr oder weniger gleichmäßig geteilt; im Erbfall erhält der überlebende Ehegatte vorab den Hausstand und 250.000 bzw. 450.000 Pfund Sterling sowie die Hälfte vom Rest. Ein güterrechtlicher Ausgleich wird dann nicht mehr durchgeführt. Damit qualifizieren sich der gesetzliche Güterstand des österreichischen Rechts und des englischen Rechts als "Zugewinngemeinschaft" i.S.v. § 1371 Abs. 1 BGB. Bei Geltung deutschen Erbstatuts ist der Ehegattenerbteil daher um das güterrechtliche Viertel zu erhöhen, auch wenn keine "Zugewinngemeinschaft deutschen Rec...

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