Rz. 85

Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO sind die Fragen des ehelichen Güterrechts sowie des Güterrechts aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten, vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Die EuErbVO regelt also allein das Erbrecht unter Ausnahme der Fragen des ehelichen Güterrechts. Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a EuGüVO umfassen die "Fragen des ehelichen Güterstands" sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die im Verhältnis der Ehegatten untereinander sowie zwischen ihnen und Dritten gelten. Das soll gemäß EG 18 EuGüVO sowohl die Verwaltung des Vermögens der Ehegatten im Alltag betreffen als auch die güterrechtliche Auseinandersetzung infolge der Trennung des Paares oder des Todes eines Ehegatten. Beide Regelungskomplexe sind autonom zu qualifizieren. Das heißt, dass die Begriffe weder auf der Basis des nationalen materiellen Rechts noch auf der Basis des nationalen IPR zu qualifizieren sind. Abzustellen ist vielmehr auf die spezifischen Zwecke der Verordnungen.

 

Rz. 86

Die Abgrenzung von Erb- und Güterstatut war schon immer schwierig, da beide Systeme im Erbfall das Vermögen des Erblassers verteilen und dem überlebenden Ehegatten eine Vermögensbeteiligung gewähren. Unterliegen Güter- und Erbstatut derselben Rechtsordnung, kann die Frage dahingestellt bleiben, denn in diesem Fall wirkt sich die Zuordnung nicht aus. Bisweilen kommt es jedoch zur Geltung verschiedener Rechtssysteme:

Für alle vor dem 29.1.2019 begründeten Ehen wird das Güterstatut weiterhin vorrangig an die gemeinsame Staatsangehörigkeit angeknüpft, während auf dem Gebiet des Erbrechts das Aufenthaltsrecht gilt. In Portugal lebende deutsche Eheleute leben daher in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts (Art. 15 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB), beerben sich aber nach den Regeln des portugiesischen Erbrechts (Art. 21 EuErbVO).
Auch soweit die EuGüVO gilt, können sich Differenzen ergeben. Während Art. 26 EuGüVO für das Güterrecht auf den gewöhnlichen Aufenthalt bei Beginn der Ehe abstellt, knüpft die EuErbVO das Ehegattenerbrecht an den gewöhnlichen Aufenthalt bei Beendigung der Ehe an.
Die Möglichkeit einer einseitigen erbrechtlichen Rechtswahl fördert die Entstehung von Divergenzen. So könnte bei in Frankreich lebenden französisch-deutschen Eheleuten der deutsche Ehemann für die Erbfolge einseitig sein deutsches Heimatrecht wählen, während für die güterrechtlichen Folgen der Ehe das französische Recht anwendbar bleibt.
 

Rz. 87

Im Beispiel (Rdn 84) wird der Ehemann aufgrund seines Lebensmittelpunkts in Stuttgart gem. Art. 21 EuErbVO nach dem deutschen Recht beerbt. Je nachdem, ob die Eheschließung vor oder nach dem 9.4.1984 stattgefunden hat, wäre aber aufgrund der Bezugnahme auf die güterrechtlichen Besonderheiten des französischen Rechts gem. Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EGBGB ("Unterstellung" unter das französische Recht) bzw. gem. Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aufgrund ausdrücklicher oder konkludenter Rechtswahl französisches Recht Güterstatut.

 

Rz. 88

Eine Vermögenszuweisung sollte nach bislang in Deutschland vertretener Ansicht erbrechtlich zu qualifizieren sein, "wenn sie dem überlebenden Ehegatten eine Teilhabe allein aufgrund seiner Nähebeziehung zum Erblasser gewährt; güterrechtlich, wenn sie einen Ausgleich für während der Ehe erbrachte Leistungen darstellt und darauf beruht, dass bereits während der Ehe die Vermögen der Eheleute verschmolzen sind und sie aus einem Topf gewirtschaftet haben".[86] Das war vage und mag in den problematischen Fällen dem mit dem Sachverhalt befassten Praktiker nicht weiterhelfen.

 

Rz. 89

Konkreter ist daher die Formel: Eine güterrechtliche Zuordnung liegt regelmäßig dann vor, wenn sie vom Bestehen eines bestimmten Güterstands abhängig ist, während die erbrechtliche Zuordnung unabhängig vom Güterstand gewährt werde.[87] Von untergeordneter Bedeutung ist dagegen, ob die einschlägige Norm im Gesetzbuch im Erb- oder Güterrecht eingeordnet ist[88] oder ob sich die Vereinbarung im Erb- oder in einem Gütervertrag befindet: Der enge sachliche Zusammenhang bedingt, dass diese Fragen zusammengefasst und ohne Rücksicht auf die kollisionsrechtliche Systematik geregelt werden.

 

Rz. 90

Der EuGH hat in seiner Entscheidung in der Rechtssache Mahnkopf eine rein funktionale Qualifikation vertreten: Geht es um die Verteilung der Vermögenswerte zwischen den Ehegatten, so liegt ein güterrechtlich zu qualifizierendes Verhältnis vor. Betrifft die Regelung aber – wie § 1371 BGB – die Rechte des überlebenden Ehegatten an den Gegenständen, die schon zum Nachlassvermögen gezählt werden, so liegt eine erbrechtliche Vorschrift vor.[89] Die Berücksichtigung gesetzgeberischer Motive – wie die durch den deutschen Gesetzgeber verfolgte Vermeidung einer güterrechtlichen Auseinandersetzung, wie sie der BGH noch 2015 in seiner Entscheidung zu Art. 25 EGBGB a.F. in den Vordergrund gestellt hatte – hingegen kommt für den EuGH nicht in Betracht. Insowei...

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