Rz. 246

Bei der Formulierung des Urkundenbeweises ist zu unterscheiden, ob sich die Urkunde, die nach Ansicht des Verteidigers verlesen werden muss, in den Gerichtsakten befindet, von denen das Gericht Gebrauch machen will, oder ob sie sich z.B. in einem Beweismittelordner, den das Gericht nicht benutzen will, befindet.

 

Hinweis

Es ist darauf zu achten, dass alle Urkunden verlesen werden. Auch Messprotokolle sind Urkunden. Ihr Inhalt kann also nur durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt werden bzw. es kann auf sie nicht als Abbildung nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO im Urteil nur Bezug genommen werden (s. die Rspr.-Nachw. bei § 3 Rdn 43 u. Rdn 197). Es sind Urkunden, die grds. nach § 249 StPO in der Hauptverhandlung verlesen werden müssen (so auch OLG Düsseldorf, DAR 2013, 82 m. Anm. Staub; OLG Jena, VRS 114, 37; OLG Koblenz, a.a.O.; einschränkend KG, NStZ-RR 2016, 27 = VRS 129, 155 = NZV 2016, 293; OLG Stuttgart, NZV 2017, 341 = VA 2017, 67jew. a.a.O.; vgl. a. Burhoff/Burhoff, HV, Rn 3166).

 

Rz. 247

Die in den Bußgeldakten befindlichen Urkunden sind ein sog. präsentes Beweismittel. Sie unterfallen allerdings nicht der Regelung in § 245 Abs. 2 StPO, sondern der in § 245 Abs. 1 (KK-Krehl, § 245 Rn 10 f. m.w.N.). Damit erstreckt sich die Beweiserhebungspflicht des Gerichts auf alle Urkunden, die bei Beginn der Hauptverhandlung vorliegen, sofern das Gericht zu erkennen gegeben hat, dass es von ihnen Gebrauch machen will (BGHSt 37, 168, 171 ff. = NJW 1991, 1622). Dazu reicht aber das bloße Vorhandensein der Urkunde an Gerichtsstelle oder ihre Bezeichnung als Beweismittel in der Anklageschrift allein nicht aus.

 

Hinweis

Will der Verteidiger erreichen, dass eine solche "präsente" Urkunde aus den Akten verlesen wird, muss er keinen Beweisantrag i.e.S. stellen. Er muss allerdings durch einen Antrag nach außen erkennbar machen, dass die Beweisaufnahme (auch) auf die Verwertung einer bestimmten Urkunde aus den Akten ausgedehnt werden soll (Meyer-Goßner/Schmitt, § 245 Rn 5 m.w.N.). In diesem Antrag muss die genaue Fundstelle der Urkunde bezeichnet werden, die Angabe eines Beweisthemas ist nicht erforderlich.

 

Rz. 248

Befindet sich hingegen die Urkunde, die verlesen werden soll, z.B. in einem Beweismittelordner, den das Gericht nicht benutzen will, oder in den Akten einer anderen Behörde, muss ein vollständiger Beweisantrag gestellt werden, der ein Beweisthema enthalten und den Fundort der Urkunde genau bezeichnen muss (BGHSt 37, 168 ff. = NJW 1991, 1622). Auf die Bezeichnung des Fundortes ist besondere Sorgfalt zu verwenden. Nicht ausreichend zur Bezeichnung ist z.B. eine Formulierung wie: "… in den Akten der Verwaltungsbehörde von …" o.Ä. Bei einem solchen Antrag würde es sich, da die Urkunde erst noch gesucht werden muss, um einen Beweisermittlungsantrag handeln.

 

Hinweis

Vorsicht ist auch geboten bei einem Antrag auf Beiziehung von Akten. Der bloße Antrag auf Beiziehung von (bestimmten) Akten ist nur dann ein ordnungsgemäßer Beweisantrag, wenn eine bestimmte Tatsache durch den gesamten Inhalt einer Urkundensammlung bewiesen werden soll (BGH, NStZ 1997, 562 [für Krankenakten]; NStZ 2009, 51; StV 1999, 80; auch KG, NStZ-RR 2002, 166; OLG Saarbrücken, NStZ 2005, 344). Das ist z.B. dann der Fall, wenn es darum geht, dass sich eine bestimmte Urkunde nicht in den Akten befindet oder erst durch die Gesamtheit von bestimmten Akten eine Entwicklung offenbar wird. Geht es hingegen um den Inhalt einer bestimmten Urkunde, z.B. eines Arztberichtes, muss die Verlesung dieser konkreten Urkunde unter Angabe des Fundortes beantragt werden (auch Rdn 246 m.w.N.).

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