Rz. 194

Die Besichtigung von Tonband-, Video- oder Filmaufnahmen erfolgt grds. in der Weise, dass der Verteidiger sie sich – auch mehrmals – vorspielen lässt. Ist das zur Informationsvermittlung nicht ausreichend, hat er einen Anspruch auf Herstellung einer amtlich gefertigten Kopie des Video- oder Tonbandes oder des Films und kann insbesondere nicht auf Einsichtnahme in den Räumen der Bußgeldbehörde, der Polizeidienststelle oder des Gerichts verwiesen werden (OLG Celle, Beschl. v. 22.2.2022, VRR 5/2022, 28; ebenso BayObLG, NJW 1991, 1070 = NZV 1991, 123 = VRS 80, 364 m. Anm. Beck, DAR 1991, 275; OLG Frankfurt am Main, StV 2001, 611; OLG Koblenz, NStZ 2001, 584 [Ls.; nur nach Übersendung eines Leer-Datenträgers; OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.8.2021 – 4 Rb 12 Ss 1094/20, zfs 2021 647; vgl. Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 5).

 

Hinweis

Jedenfalls der Verteidiger, dessen Kanzlei vom Sitz der Ermittlungsbehörde weit entfernt liegt, hat einen Anspruch auf Überlassung einer Kopie der Daten (u.a. BayObLG, NJW 1991, 1070; ähnlich OLG Jena, VRS 108, 276; OLG Koblenz, NStZ-RR 2001, 311; LG Ellwangen, DAR 2011, 418; AG Kleve, VRR 2008, 357 = VA 2008, 177 = StRR 2009, 107). Er muss der Ermittlungsbehörde nur einen Datenträger zusenden, auf die der Messvorgang überspielt werden kann. Richtigerweise ist indes ein Anspruch auf Übersendung von Kopien unabhängig vom Gesichtspunkt der Entfernung und der Zumutbarkeit für den Verteidiger anzunehmen (Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 5).

 

Rz. 195

Die Besichtigungsmöglichkeit muss dem Verteidiger rechtzeitig vor der Hauptverhandlung eingeräumt werden (KG, StV 1989, 8) und ohne Rücksicht darauf, ob die Aufzeichnungen einem Verwertungsverbot unterliegen. Dem Verteidiger müssen die erforderlichen Unterlagen so rechtzeitig übersandt werden, dass dem Zweck der Einsichtnahme genügt werden kann. Der Verteidiger muss also Gelegenheit haben, sich so vorzubereiten, dass er in der Lage ist, Zeugen wie etwa die Messbeamten entsprechend zu befragen oder ggf. einen Sachverständigen zu beauftragen (Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 5). Wird dem Verteidiger diese Möglichkeit nicht gewährt (etwa indem man ihn auf die Einsichtnahme am Verhandlungstag verweist), so liegt darin eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO).

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