Leitsatz (amtlich)

Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich auch auf Tonaufzeichnungen einer Telefonüberwachung, deren Abhören nicht wegen technischer Schwierigkeiten abgelehnt werden kann.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 5/17 KLs 5120 Js 205249/01)

 

Tenor

Der Verteidigerin ist rechtzeitig vor der Hauptverhandlung Einsicht in die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main als Beweismittel genannten TÜ-Bänder zu gewähren.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Dem Angeklagten wird Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt. Er ist bei der 17. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main angeklagt. Die Hauptverhandlung beginnt am 31. 10. 2001. In der Anklageschrift sind als Beweismittel u. a. "TÜ-Bänder - asserviert unter LÜ-Nr. . . . /01 -" genannt. Die Verteidigerin begehrt die Einsicht in die Bänder. In ihrem Antrag vom 29. 5. 2001 heißt es: "In der Sache . . . beantrage ich namens und in Vollmacht meines Mandanten, . . . 3. Bandkopien der gesamten Telefonüberwachung anzufertigen und 4. diese ebenfalls der Verteidigung zur Einsicht zu überlassen. "

Nachdem der Vorsitzende der Strafkammer unter Hinweis auf die zeitaufwändige Prüfung und Weiterleitung dieses Gesuchs an die Staatsanwaltschaft die Verteidigerin gebeten hatte, auf die Dauer von vier Wochen von Abfragen abzusehen, wandte sich diese nach Ablauf des genannten Zeitraums an die Staatsanwaltschaft. Sie erhielt die nicht näher begründete Mitteilung, dass keine Möglichkeit bestehe, die Bänder zu kopieren. Mit Schriftsatz vom 6. 7. 2001 an das Gericht formulierte die Verteidigerin ihr Begehren nunmehr wie folgt:

"In der Strafsache . . . hat die Staatsanwaltschaft mir mitgeteilt, dass derzeit keine Möglichkeit bestehe, Bandkopien der Telefonüberwachung zu fertigen und mir diese zur Einsicht zu überlassen, wie dies in anderen Verfahren üblicherweise gehandhabt wird. Ich beantrage deshalb, mir Gelegenheit zu geben, mit meinem Mandanten und einem Dolmetscher die asservierten TKÜ-Beweisbänder (es folgt die genaue Bezeichnung) durch Abhören in Augenschein zu nehmen. Ich beantrage des weiteren, die Bänder (es folgt die genaue Bezeichnung) beizuziehen und mir ebenfalls Gelegenheit zu geben, sie mit meinem Mandanten und einem Dolmetscher durch Abhören in Augenschein zu nehmen. "

In einem Schreiben des Vorsitzenden an die Verteidigerin vom 10. 7. 2001 heißt es:

"Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft besteht keine Möglichkeit, von Tonbändern Kopien zu fertigen. Nach Beratung in der Kammer ist sie der Meinung, dass dies untunlich ist. Das Gericht wird den Leiter der Kriminalpolizei K . . . Frankfurt am Main, Tel. . . . , anschreiben, damit Ihnen dort im Polizeigewahrsam die Originalbänder vorgespielt werden können. Sie sollten daher dort eine Terminsvereinbarung treffen. "

Die Polizei teilte der Verteidigerin mit, die Bänder seien bei der Staatsanwaltschaft; ein Vorspielen auf der Dienststelle der Polizei sei wegen der dünnen Personaldecke nicht möglich. Auch könne dem Beschuldigten nicht gestattet werden, sich in den Räumen der Dienststelle längere Zeit aufzuhalten. Mit Schreiben vom 20. 7. 2001 wies die Verteidigerin darauf hin, dass ihr angesichts der gegenteiligen Erfahrungen aus anderen Verfahren unverständlich sei, weshalb ihr jetzt keine Kopien zur Verfügung gestellt werden könnten. Mit Verfügung vom 25. 7. 2001 schrieb der Vorsitzende darauf:

"Wie Ihnen schon mitgeteilt wurde (Schreiben vom 10. 7. 2001) werden auf Anordnung des Gericht von den Tonbändern keine Kopien wegen der Gefahr technischer Störungen hergestellt. Eine Abhörung kann durch Sie im Polizeipräsidium unter Hinzuziehung eines Dolmetschers erfolgen. Ausgang wird dem Angeklagten Q. auf Grund der Mitteilung des KHK A. vom 16. 07. 2001 und aufgrund allgemeiner Erwägungen, nach denen Beweisunterlagen nicht dem Zugang durch Angeklagte unterliegen, versagt. Es wird davon ausgegangen, daß die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei einen Bediensteten zur Verfügung stellt, der das Abspielen der Bänder selbst zur Vermeidung technischer Beeinträchtigungen ausführt. Dies dürfte trotz der personellen Schwierigkeiten möglich sein, da die Bänder lediglich eine Laufzeit von etwa 18 Stunden (so ist jedenfalls berichtet worden) haben. "

Nachdem in der Folgezeit bis Ende August 2001 kein Termin zum Abhören der Bänder zustande kam, da sowohl die Polizei wie auch die Staatsanwaltschaft angaben, kein Personal dafür zur Verfügung stellen zu können, erhob die Verteidigerin mit Schriftsatz vom 27. 8. 2001 Beschwerde gegen die faktische Versagung ihres Einsichtsrechts. Mit der Übersendungsverfügung an das Beschwerdegericht vom 28. 9. 2001 vermerkte der Vorsitzende der Strafkammer Folgendes:

"Die Kammer hat die technischen Anlagen der Tonbandaufzeichnungen beim PP Ffm in Augenschein genommen. Danach ist folgendes festzustellen:

a) Das Abspielen von Aufzeichnungen...

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