Rz. 97

Wenn die materiellen und formellen Voraussetzungen des § 17 Abs. 13 WEG (Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Gemeinschaft, Abmahnung und Entziehungsbeschluss) vorliegen, ist der Anspruch auf Entziehung des Wohnungseigentums entstanden. Durchgesetzt wird er mit der Klage auf Entziehung des Wohnungseigentums und anschließender Zwangsversteigerung. Im Zuge der Klage auf Entziehung wird geprüft, ob die Voraussetzungen der Entziehung vorliegen. Zuständig ist das örtliche Amtsgericht (§§ 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG, 23 Nr. 2c GVG), Klägerin ist die Gemeinschaft. Die Prozesskosten sind gem. § 16 Abs. 2 S. 1 WEG auf alle Miteigentümer zu verteilen; der verklagte Wohnungseigentümer muss sich also an den Kosten beteiligen. Das gilt auch dann, wenn die Klage von vornherein aussichtslos war und schließlich abgewiesen wird;[221] dieses Ergebnis ist jedenfalls in einer kleinen Gemeinschaft kaum erträglich.

 

Rz. 98

Muster 3.9: Klage auf Entziehung von Wohnungseigentum

 

Muster 3.9: Klage auf Entziehung von Wohnungseigentum

(Rubrum → § 9 Rdn 27)

Die Beklagten werden verurteilt, ihr Wohnungseigentum Nr. 8, X-Straße in Y-Stadt, Grundbuch von Y-Stadt Blatt 2543, zu veräußern.

Begründung:

(Vortrag zu den materiellen und formellen Voraussetzungen des § 17 Abs. 13 WEG)

 

Rz. 99

Das stattgebende Urteil berechtigt die Gemeinschaft gem. § 17 Abs. 4 WEG zur Zwangsversteigerung entsprechend den Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes (→ § 9 Rdn 58). Weil aber das Entziehungsurteil keine Geldforderung zum Gegenstand hat, ist unklar, ob das Verfahren aus einer der Rangklassen des § 10 Abs. 1 ZVG betrieben wird und ggf. aus welcher; und davon hängt es ab, welche Rechte in das geringste Gebot aufzunehmen sind und somit letztlich der Erfolg des Verfahrens. Wenn man der Auffassung ist, mangels Rangfähigkeit des Entziehungsanspruchs seien sämtliche im Grundbuch eingetragenen Rechte in das geringste Gebot aufzunehmen,[222] wird dieses so hoch ausfallen, dass nicht mit einer erfolgreichen Versteigerung zu rechnen ist. Tatsächlich hat das Entziehungsverfahren in den letzten Jahren kaum Bedeutung erlangt. Kommt es einmal zur Durchführung der Zwangsversteigerung, kann der Schuldner nach Sinn und Zweck des Entziehungsverfahrens keinen Einstellungsantrag gem. § 30a ZVG stellen (str.).[223]

 

Rz. 100

Der Zuschlag an einen neuen Eigentümer ändert nichts an den Störungen, die zur Einleitung des Entziehungsverfahrens führten, wenn die Störer in der Wohnung verbleiben. Damit Störer nicht auf die Idee kommen, ihre Wohnung durch "Strohleute" oder eine "Strohfirma" ersteigern zu lassen, die ihnen dann die Wohnung weiterhin überlassen, hat der BGH entschieden, dass der neue Wohnungseigentümer dafür sorgen kann und muss, dass die Besitzer (Störer) die Wohnung räumen und an ihn herausgeben; dabei dient der Zuschlagsbeschluss gem. § 93 ZVG als Vollstreckungstitel. Die Gemeinschaft hat zwar selbst keinen Räumungsanspruch gegen den oder die Wohnungsbesitzer, aber einen Anspruch gegen den oder die neuen Eigentümer, dass diese die Räumung durchsetzen.[224]

 

Rz. 101

Muster 3.10: Klage auf Durchsetzung der Besitzentziehung

 

Muster 3.10: Klage auf Durchsetzung der Besitzentziehung

Der Beklagte (= Erwerber/neuer Eigentümer) wird verurteilt, Herrn und Frau X den Besitz an der Wohnung Nr. 6 in der Wohnungseigentumsanlage Heinestraße 12, 75234 Musterstadt zu entziehen.

[221] So im Fall der Entscheidung des BGH v. 10.10.2013 – V ZR 281/12, ZMR 2014, 230.
[222] Schneider/Schneider, ZVG, 1. Aufl. 2020, § 10 Rn 234.
[223] Schneider, ZWE 2017, 408; ders. in Schneider, ZVG, 1. Aufl. 2020, § 10 Rn 243. A.A. LG Regensburg v. 21.8.2017 – 64 T 309/17, ZWE 2017, 406.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge