Rz. 106

Vor Einräumung des Nutzungsrechts ist daher zunächst die einzelne konkrete Nutzungsart festzustellen.[144] Als besondere Nutzungsart ist nur die konkrete technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform des Werkes anerkannt.[145] Über die Grenzen der Aufspaltbarkeit des Nutzungsrechts entscheidet die objektive Bekanntheit in einschlägigen Urheber- und Verwerterkreisen.[146] Nicht maßgeblich ist dagegen, ob die Nutzungsart dem konkreten Vertragspartner bekannt war; abzustellen ist vielmehr auf die Bekanntheit möglicher wirtschaftlich bedeutsamer Verwertbarkeit.[147] Unmaßgeblich sind also Unterschiede, die lediglich in der Person des Veranstalters oder in der Übermittlungstechnik zu finden wären. Von Bedeutung sind dagegen das Erreichen eines größeren Zuschauerkreises oder eine intensivere Nutzung.[148]

 

Rz. 107

 

Hinweis

Nach der Rechtsprechung[149] kommt es für die Feststellung der eigenständigen Nutzungsart auf folgende Kriterien an:

Wird die bisherige Nutzungsart ersetzt oder weitere eigenständige Märkte erschlossen?
Wird die bisherige Nutzungsart lediglich durch technischen Fortschritt erweitert und verstärkt oder aus Sicht der Verbraucher eine entscheidende Veränderung herbeigeführt?
Wird die äußere Form der Nutzungsart verändert?
 

Rz. 108

Wurden bisher an einen Lizenznehmer Nutzungsrechte eingeräumt, so stellt sich für den Urheber die Frage, ob gewisse Nutzungen einer konkreten Nutzungsart zuzurechnen sind und ob damit die Grenze bekannter Nutzungsarten überschritten wird. Eine solche Grenzüberschreitung wird etwa angenommen bei zeitversetzter Kabelsendung, aber auch bei der Neuerschließung besonderer Einnahmequellen,[150] etwa durch Musik-CD (keine neue Nutzungsart im Verhältnis zur Schallplatte),[151] Video (Bekanntheitszeitpunkt offen gelassen),[152] den Online-Auftritt von Tageszeitungen im Internet (bis 1980),[153] für das Pay-TV (bis Mitte der 90er-Jahre),[154] für die Online-Nutzung von Datenbanken (bis 1990) und die Präsentation im Internet (bis 1995),[155] für die CD-ROM-Rechte bei Zeitschriften (bis 1989),[156] für Fotografien (bis zu Beginn der 90er-Jahre),[157] für Video-on-Demand (Video auf Abruf) und Music-on-Demand (Musik auf Abruf) (bis 1997)[158] sowie DVD im Vergleich zur Videokassette (bis 1999).[159] Weitere technische Neuentwicklungen sind etwa das UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) als neuer Standard für den Empfang von Texten, Musik und Bildern durch Mobiltelefone (unbekannte Nutzungsart bis 2000) und die Verbreitung von Klingeltönen per Mobiltelefon (ebenfalls unbekannt bis 2000).[160] Der Internet-Buchhandel kann durchaus auch als neue Nutzungsart gegenüber dem Sortimentbuchhandel angesehen werden (wohl auch bis 2000 als eigenständiger Markt unbekannt).[161] Seit Beginn der Ausstrahlung im UMTS-Standard zur Fußballweltmeisterschaft im Jahre 2006 ist von der Bekanntheit der Nutzungsart Handy-TV auszugehen.[162] Seit 2010 ist der elektronische Programmführer eine Nutzungsart, die dem Sendeunternehmen gegenüber einer Verwertungsgesellschaft vorbehalten bleibt.[163]

[144] § 31 Abs. 1 und 5 UrhG geht von der Einräumung einzelner oder aller Nutzungsarten aus.
[145] BGH v. 5.6.1985 – I ZR 53/83, BGHZ 95, 274, 283 (GEMA-Vermutung I); BGH v. 15.10.1987 – I ZR 96/85, GRUR 1988, 296, 298 (GEMA-Vermutung IV); BGH v. 11.10.1990 – I ZR 59/89, GRUR 1991, 133, 136 (Videozweitauswertung); BGH v. 26.1.1995 – I ZR 63/93, GRUR 1995, 212, 213 (Videozweitauswertung III); BGH v. 16.1.1997 – I ZR 38/96, GRUR 1997, 464, 465 (CB-infobank II); BGH v. 19.5.2005 – I ZR 285/02, GRUR 2005, 937 (Zauberberg); Schricker/Loewenheim/Schricker/Ohly, Urheberrecht, § 31 Rn 27 ff.
[146] Schricker/Loewenheim/Ohly, Urheberrecht, § 31 Rn 27 ff. unterscheiden die Arten möglicher dinglicher Beschränkungen zeitlich, quantitativ, räumlich und sachlich.
[147] BGH v. 26.1.1995 – I ZR 63/93, GRUR 1995, 212, 213 (Videozweitauswertung III); BGH v. 19.5.2005 – I ZR 285/02, GRUR 2005, 937, 939 (Zauberberg).
[148] So etwa für das Kabelfernsehen OLG Hamburg GRUR 1989, 1590 (ARD 1 plus); BGH v. 4.7.1996 – I ZR 101/94, BGHZ 133, 281, 287 (Klimbim); Schwarz, ZUM 2001, 699 (Barfuß ins Bett); vgl. dazu Reber, ZUM 1998, 481; ders., GRUR 1998, 792; Wagner/Obergfell, ZUM 2001, 973.
[149] BGH v. 12.12.1991 – I ZR 165/89, GRUR 1992, 310, 311 (Taschenbuchlizenz).
[150] Dazu insgesamt Drewes, Neue Nutzungsarten im Urheberrecht, S. 24 ff.
[151] Castendyk, ZUM 2002, 332, 345.
[152] Castendyk, ZUM 2002, 332, 348.
[153] OLG Hamburg v. 11.5.2000 – 3 U 269/98, NJW-RR 2001, 123, 124 (Einstellen von Publikationen ins Internet als neue Nutzungsart im Jahr 1980).
[154] Vgl. dazu von Gamm, ZUM 1994, 591, 593 f.; allerdings nicht die direkte Satellitenausstrahlung von Rundfunksendungen, vgl. BGH v. 4.7.1996 – I ZR 101/94, NJW 1997, 320 (Klimbim).
[155] Vgl. Hoeren, CR 1995, 710.
[156] Vgl. dazu Schulze, Zum Erwerb der CD-ROM-Rechte bei Zeitschriften, in: Festschrift für Beier, 1996, S. 404.
[157] Vgl. dazu Maaßen, MMR 1998, 44; Bezirksg...

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