Rz. 68

Abwarten: Der Arbeitnehmer kann die Klagefrist gem. § 4 KSchG bis zum letzten Tag ausschöpfen. Wartet er bis zum letzten Augenblick ab, trägt er jedoch das Risiko der nicht fristgerechten Klageerhebung. Weder das Warten auf eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung noch auf die Entscheidung in einem Parallelverfahren rechtfertigen eine nachträgliche Zulassung. Gleiches gilt, wenn die Klageerhebung wegen schwebender Vergleichsverhandlungen unterbleibt.[146]
Arbeitgeberverhalten: Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nicht auf die Klagefrist hinweisen. Eine nachträgliche Zulassung kommt aber in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer arglistig von einer fristgerechten Klage abhält.[147] Sofern sich der Arbeitgeber lediglich vorbehält, er werde die Kündigung zurücknehmen[148] oder eine Abfindungsregelung in Aussicht stellt, und der Arbeitnehmer daraufhin eine Klage unterlässt, scheidet eine nachträgliche Zulassung aus.
Ausländische Arbeitnehmer: Mangelnde Sprachkenntnisse rechtfertigen grds. keine nachträgliche Klagezulassung. Der Arbeitnehmer muss sich unverzüglich um eine Übersetzung der Schreiben seines Arbeitgebers bemühen.[149]
Beurteilung der Erfolgsaussichten: Die falsche Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage vermag die nachträgliche Zulassung nicht zu begründen. Auch der Vortrag des Arbeitnehmers, er habe sich zunächst in Beweisschwierigkeiten befunden oder er habe angenommen, sein Arbeitsplatz werde nicht neu besetzt, entschuldigt nicht das Versäumen der Klagefrist. Eine Ausnahme gilt, wenn eine Arbeitnehmerin zunächst nicht um ihre Schwangerschaft weiß, sofern die Mitteilung an den Arbeitgeber unverzüglich nachgeholt wird, § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG.
Krankheit: Eine Erkrankung des Arbeitnehmers allein rechtfertigt noch nicht die nachträgliche Zulassung der Klage. Der Arbeitnehmer muss vielmehr darlegen, dass es ihm gerade aufgrund seiner Krankheit objektiv unmöglich war, rechtzeitig eine Klage einzureichen (etwa, weil er das Haus nicht verlassen konnte) oder zumindest Rechtsrat einzuholen. Sofern der Arbeitnehmer zwar bettlägerig, aber entscheidungsfähig ist, kann von ihm erwartet werden, dass er Angehörige oder Bekannte mit der Klageerhebung beauftragt.[150] Das gilt auch bei Krankenhausaufenthalten.[151] Solange der Arbeitnehmer in der Lage ist, sich Zeitschriften zu besorgen oder Lottogeschäfte zu tätigen, kann ihm auch zugemutet werden, Rechtsrat einzuholen.[152] Erkrankt der Arbeitnehmer kurz vor Ablauf der Klagefrist und ist er daher objektiv an einer fristgerechten Klage gehindert, so ist die Klage nachträglich zuzulassen.[153] War der Arbeitnehmer dagegen zu Beginn der Klagefrist erkrankt, muss er nach seiner Genesung noch innerhalb der Frist unverzüglich Klage erheben.[154]
Post: Der Arbeitnehmer kann seine Kündigungsschutzklage mit normaler Post übermitteln und dabei auf die regelmäßigen Postbeförderungszeiten vertrauen.[155] Eine verzögerte Beförderung rechtfertigt daher grds. die nachträgliche Zulassung der Klage. Der Arbeitnehmer muss allerdings darlegen, dass er die Klage so rechtzeitig zur Post gegeben hat, dass sie bei normalem Postlauf fristgerecht bei Gericht eingegangen wäre.[156] Bei unsicheren Postverhältnissen (z.B. Postaufgabe im Ausland, Streikmaßnahmen) darf der Arbeitnehmer hingegen nicht darauf vertrauen, die Post werde wie üblich zugestellt; hier muss er sich durch eine Nachfrage bei Gericht über den Eingang seiner Klage rückversichern.[157]
Unkenntnis der Klagefrist: Der Arbeitnehmer kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe nicht gewusst, dass eine Klagefrist einzuhalten sei. Es gehört zu den an jeden Arbeitnehmer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, dass er sich nach Erhalt einer Kündigung unverzüglich darum kümmert, wie er dagegen vorgehen kann.[158]
Urlaub: Die Kündigung geht dem Arbeitnehmer auch während seines Urlaubs zu, wenn es an die Wohnungsanschrift zugestellt bzw. in den Hausbriefkasten eingeworfen wird. Ein Kündigungsschreiben, das während der (urlaubsbedingten) Abwesenheit in den Briefkasten des Arbeitnehmers geworfen wird, geht in dem Augenblick zu, in dem normalerweise mit der Leerung des Briefkastens zu rechnen ist. Geht das Kündigungsschreiben somit am Heimatort zu, erlangt der Arbeitnehmer hiervon aber erst nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub – und nach Ablauf der Klagefrist – Kenntnis, ist die Klage nachträglich zuzulassen.[159] Er muss grundsätzlich nicht sicherstellen, dass ihn rechtsgeschäftliche Erklärungen seines Arbeitgebers auch während des Urlaubs erreichen. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn sich der Urlaub über einen längeren Zeitraum erstreckt[160] oder aufgrund besonderer Umstände (Kündigungsandrohung, Arbeitsverweigerung) mit einer Kündigung konkret zu rechnen ist. Die Klage ist bei urlaubsbedingter Abwesenheit nicht nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer, der sich nicht nur im Ausland aufhält, nicht sicherstellt, dass er zeitnah von e...

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