Rz. 232

Nach § 55 Abs. 5 S. 2 RVG hat der Rechtsanwalt Zahlungen der Partei oder eines Dritten nach Prozesskostenhilfebewilligung unverzüglich dem Gericht anzuzeigen. Der Grund liegt darin, dass solche Zahlungen in erster Linie auf die weitere Vergütung nach § 50 RVG anzurechnen sind (§ 58 Abs. 2 RVG). Ist die Zahlung höher als die weitere Vergütung, dann ist der Überschuss auf die Prozesskostenhilfe-Vergütung nach § 49 RVG anzurechnen. Hierdurch soll einerseits vermieden werden, dass der Anwalt letztlich nicht mehr an Vergütung erhält, als ihm nach der Regeltabelle des § 13 RVG als Wahlanwalt zusteht. Andererseits entspricht die Regelung des § 58 Abs. 2 RVG dem Grundgedanken des § 366 Abs. 2 BGB, wonach unter anderem mangels abweichender Bestimmung des Schuldners durch seine nicht völlig ausreichende Zahlung zunächst diejenige Forderung getilgt werden soll, die dem Rechtsanwalt als Gläubiger eine geringere Sicherheit bietet.

 

Rz. 233

Von der Anrechnungspflicht werden insbesondere Vorschusszahlungen oder Zahlungen auf eventuelle Erstattungsansprüche nach § 126 ZPO gegen den Gegner erfasst. Wichtig ist, dass die Zahlungen als Vergütung für das Verfahren geleistet worden sein müssen, für welches Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Dementsprechend fallen hierunter nicht nur zur Weiterleitung bestimmte Gelder oder verbrauchte Gerichtskostenvorschüsse.

 

Rz. 234

 

Beispiel

In einer Scheidungssache erhält Rechtsanwalt R vom Mandanten vor PKH-Bewilligung und Beiordnung einen Vorschuss von 300 EUR; nach mündlicher Verhandlung und Parteianhörung gem. §§ 128, 116 FamFG ergeht ein Scheidungsurteil; Streitwerte: Scheidung (10.000 EUR), VA (2.000 EUR).

 
R beantragt aus der Staatskasse (§ 49 RVG):  
1,3-Verfahrensgebühr aus 12.000 EUR 417,30 EUR
1,2-Terminsgebühr aus 12.000 EUR 385,20 EUR
Auslagenpauschale 20,00 EUR
19 % USt 156,28 EUR
Summe 978,78 EUR
Als Wahlanwalt könnte R beantragen (§ 13 RVG):  
1,3-Verfahrensgebühr 725,40 EUR
1,2-Terminsgebühr 669,60 EUR
Auslagenpauschale 20,00 EUR
19 % USt 268,85 EUR
Summe 1.683,85 EUR
Differenz = weitere Vergütung 705,07 EUR

Der Vorschuss von 300 EUR ist nach § 58 Abs. 2 RVG auf die weitere Vergütung anzurechnen, sodass R noch ein Restbetrag von 405,07 EUR an weiterer Vergütung zustehen würde. Voraussetzung wäre allerdings, dass durch eine eventuell anzuordnende Ratenzahlung die weitere Vergütung gedeckt ist.

Abwandlung

Im obigen Beispiel beträgt der Vorschuss 1.000 EUR. In diesem Fall ist die weitere Vergütung von 705,07 EUR durch den Vorschuss gänzlich gedeckt. Da R allerdings nicht mehr an Vergütung erhalten darf als ein Wahlanwalt, nämlich 1.683,85 EUR, ist die Differenz von 294,93 EUR auf die Vergütung nach § 49 RVG anzurechnen, sodass er aus der Staatskasse lediglich einen Restbetrag von 683,85 EUR (978,78 EUR abzgl. 294,93 EUR) erhalten würde.

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