Rz. 919

Auch ohne krasse finanzielle Überforderung kann eine Bürgschaft oder Mithaftung gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Es müssen dann aber weitere Umstände vorliegen, welche zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen und den Mitverpflichteten in einer dem Gläubiger zurechenbaren Weise zusätzlich erheblich belasten.[788] Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Bürgen oder Mithaftenden ausnutzt oder auf andere Weise ihn in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt.[789]

 

Rz. 920

Eine zur Annahme der Sittenwidrigkeit führende Zwangslage der Ehefrau wurde angenommen, als die Bank die Mithaftung unter Androhung einer Rücknahme ihrer Kreditzusage gefordert hat, obwohl bereits ein wesentlicher Teil des Kredits zum Aufbau des Unternehmens des Ehemannes verwendet worden war, und der Ehemann gegenüber der Bank von Anfang an erklärt hat, dass die Ehefrau keine Mithaftung für die Kredite übernehmen wolle.[790]

Weitere Umstände, welche eine Sittenwidrigkeit ohne krasse finanzielle Überforderung begründen, sind zum Beispiel die Verharmlosung oder gar Verschleierung des Risikos einer Bürgschaft oder Mithaftung durch den Kreditgeber.[791]

 

Rz. 921

Diese Umstände, die zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB führen, hat der Bürge oder Mithaftende darzulegen und zu beweisen.[792]

[788] BGH, Urt. v. 30.3.1995 – IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886.
[789] BGH, Urt. v. 30.3.1995 – IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886.
[791] Palandt/Ellenberger, § 138 Rn 38 f.

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