Rz. 753

Haben die Ehegatten keine Vereinbarungen im oben genannten Sinne geschlossen, so schließen die §§ 1361a, 1361 b, 1568 a, 1568 b BGB als speziellere Vorschriften § 749 BGB im Wege der Subsidiarität in Folge erschöpfender Regelung aus (zu eben diesem Verhältnis des § 1568a BGB speziell zu § § 743745 BGB siehe oben Rn 701 ff.). Die familienrechtlichen Vorschriften verdrängen die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift nicht als leges speciales. Es fehlt bereits jeweils am logischen Verhältnis der Spezialität. Im logischen Verhältnis der Spezialität stehen die Tatbestände von zwei Normen dann, wenn der Anwendungsbereich der speziellere Norm völlig in dem der allgemeinen aufgeht, wenn also alle Fälle der speziellere Norm auch solche der allgemeineren sind. Das ist der Fall, wenn der Tatbestand der speziellere Norm alle Merkmale der allgemeineren Norm und darüber hinaus noch mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält, d.h., wenn der in der speziellen Norm geregelte Fall ein Unterfall des Tatbestandes der generellen Norm ist.[618]

 

Rz. 754

Die familienrechtlichen Vorschriften sind, mit Ausnahme von § 1568b Abs. 1, Abs. 3 BGB, der §§ 749 ff. BGB als lex specialis verdrängt, keine Unterfälle in diesem Sinne von § 749 BGB. Vielmehr erfassen sie nicht nur im Miteigentum beider Ehegatten stehende Haushaltsgegenstände und Ehewohnungen, sondern auch solche, die im Alleineigentum eines Ehegatten stehen und weitergehend solche, die im Eigentum Dritter stehen. Sie verdrängen §§ 749 ff. BGB jedoch im Wege der Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Tatbestände zweier Normen nur teilweise decken, einige Fälle also nur dem einen, einige dem anderen, einige beiden Tatbeständen unterfallen.[619] Treffen auf einen Sachverhalt beide Tatbestände zu, kommt es auf den Sinn und Zweck der infrage stehenden Regeln und die hinter ihnen stehenden Wertungen an. Eine Verdrängung wegen Subsidiarität in folgeerschöpfender Regelung erfolgt, wenn das Gesetz bestimmte Vorgänge aus besonderen Gründen einer einheitlichen Regelung hat unterwerfen wollen, dies für diese Fälle als abschließend gedacht hat. Wendete man dann auf einen Teil dieser Vorgänge, die auch dem Tatbestand einer anderen Norm unterfallen, diese andere Norm ebenfalls an, so vereitelte man damit den Zweck der besonderen Regelung für einen Teil der Fälle. Deshalb ist in solchen Fällen die Verdrängung der anderen Norm anzunehmen.[620] Das trifft auf das Verhältnis der familienrechtlichen Vorschriften zu denjenigen des Gemeinschaftsrechts zu.

 

Rz. 755

Sämtliche Vorschriften gehen davon aus, dass Ehewohnung und Haushaltsgegenstände regelmäßig als solche bis zur Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache erhalten bleiben, es sei denn die Ehegatten beseitigen zugleich die Existenz der bisherigen Ehewohnung. Dies würde nun aber gerade vereitelt, wenn ein Ehegatte bereits während des Getrenntlebens der Ehegatten den Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft nach § 749 Abs. 1 BGB erheben könnte.

Zunächst spricht bereits für die Auslegung, dass die Ehewohnung und damit auch die Haushaltsgegenstände in der Regel diese Eigenschaft bis zur Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache behalten, die Bedeutung des Ausdrucks "Ehewohnung" im allgemeinen Sprachgebrauch.[621] Mit dem allgemeinen Sprachgebrauch stimmt der Sprachgebrauch des BGB und des FamFG überein. §§ 1361b, 1567 Abs. 1 S. 2 BGB (eheliche Wohnung), 1568a BGB, 133 Abs. 1 Nr. 2, 137 Abs. 2 Nr. 3, 200, 202, 203 Abs. 3, 204, 205, 209 Abs. 2 FamFG sprechen bis zur Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache von der "Ehewohnung". Insbesondere § 1568a BGB bringt zum Ausdruck, dass die anlässlich der Scheidung überlassene Wohnung noch Ehewohnung ist und also diese Eigenschaft erst hiernach verliert.[622] Auch § 1361b Abs. 4 BGB und § 1353 Abs. 2 BGB lassen die Eigenschaft der Ehewohnung als eine solche nicht vor Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache entfallen.[623] Geschähe dies aufgrund der Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft, wären §§ 1361a, 1361b BGB während des Getrenntlebens der Ehegatten und insbesondere §§ 1568a, 1568b BGB ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anwendbar. Der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung und der Haushaltsgegenstände für die Zeit des Getrenntlebens und für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung bestünde in einer Vielzahl von Fällen nicht, die familienrechtlichen Vorschriften wären weitgehend unanwendbar und daher in einem erheblichen Teil ihres Anwendungsbereichs zweck- und funktionslos. Eine solche Auslegung ist systematisch nicht anzunehmen, weil die sachliche Übereinstimmung der Vorschriften nicht gewahrt wäre.[624] Hinzu kommt, dass es sich bei den familienrechtlichen Vorschriften sämtlich um sogenannte objektiv halbzwingende Normen handelt, die nicht insgesamt, sondern nur teilweise zwingend sind, nämlich insoweit, als ihre subsidiäre Geltung nicht abbedungen werden kann;[625] demgegenüber gilt gerade § 749 Abs. 1 BGB dan...

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