Rz. 701

Die Ansprüche nach § 1568a BGB können "anlässlich der Scheidung" geltend gemacht werden, d.h. sie können nicht nur nach Scheidung der Ehe, sondern bereits gleichzeitig mit der Scheidungssache erhoben werden. Dies eröffnet einmal die Möglichkeit, die Ansprüche als Scheidungsfolgesachen im Verbund zu verfolgen, § 137 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 FamFG;[516] weitergehend ist hierdurch gewährleistet, dass eine übergangslose Wohnungsregelung erfolgen kann:[517]

 

Praxistipp

Zwar bestehen sämtliche Ansprüche nach § 1568a BGB, insbesondere die Überlassungsansprüche gemäß § 1568a Abs. 1, Abs. 2 BGB, erst ab Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache. Ihr Regelungsbereich schließt sich materiellrechtlich unmittelbar an denjenigen des § 1361b BGB an, mit dem eine vorübergehende Regelung, insbesondere die Überlassung der Ehewohnung, für die Dauer des Getrenntlebens verlangt werden kann, die allerdings mit Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache ihre Wirksamkeit verliert. Die Geltendmachung der Ansprüche aus § 1568a BGB "anlässlich der Scheidung" ermöglicht es also, die materiellrechtliche Rechtslage überhaupt auch verfahrensrechtlich wirksam umsetzen zu können, nämlich, dass gerade die Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung für den Zeitraum ab Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache gemäß § 1568 Abs. 1, Abs. 2 BGB im Regelfall gemäß § 148 FamFG i.V.m. §§ 40 Abs. 1, 41 Abs. 1, Abs. 2 FamFG eben mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses wirksam werden, also genau in dem Zeitpunkt, in dem auch ein titulierter Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens gemäß § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB automatisch seine Wirksamkeit verliert.[518]

 

Rz. 702

§ 1568a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 BGB führen, wenn sie tatbestandlich eingreifen, nun-wie § 1361b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2 BGB – nicht nur eine verbindliche Verwaltungs- und Benutzungsregelung im Sinne von § 745 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Benutzung und der hierfür zu entrichtenden Vergütung herbei, sondern darüber hinaus zugleich die aufgrund der Regelung zutreffende schuldrechtliche Sondervereinbarung.[519] Bestimmt wird nämlich sowohl, dass der jeweilige Miteigentums- bzw. Bruchteilanteil genutzt werden soll, als auch in welcher konkreten Art und Weise dies geschehen soll: in vollem Umfang und entgeltlich, genauer gesagt zur bisherigen bzw. ortsüblichen Miete. § 1568a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 BGB führen daher nicht bloß die Benutzungsregelung im Sinne von § 745 Abs. 2 BGB herbei, sondern dessen Rechtsfolge.[520] Des für § 745 Abs. 2 BGB erforderlichen Gläubigerbegehrens bedarf es hier ebenfalls nicht, weil es sich bei Ansprüchen aus § 1568a BGB durchweg nicht um verhaltene Ansprüche handelt.[521] Sie entstehen erst und sobald sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, d.h. die Überlassungsansprüche nach Abs. 1 und Abs. 2 mit Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale, der Anspruch gemäß Abs. 5 S. 1 erst mit dem Verlangen auf Abschluss eines Mietvertrags, sie existieren zu diesem Zeitpunkt nicht schon latent.[522]

 

Rz. 703

Da nun auch § 1568a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 BGB die Rechtsfolge von § 745 Abs. 2 BGB herbeiführen, verdrängen sie ab Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift zwar nicht als leges speciales, aber aufgrund ihres Sinn und Zwecks, es handelt sich um einen Fall der Subsidiarität in Folge erschöpfende Regelung. Die familienrechtlichen Vorschriften sind nicht leges speciales im Verhältnis zu § 745 Abs. 2 BGB, weil die Tatbestände schon nicht im logischen Verhältnis der Spezialität zueinanderstehen. Die familienrechtlichen Normen sind keine Unterfälle von § 745 Abs. 2 BGB, da nicht alle von § 1568a BGB erfassten Fälle auch solche von § 745 Abs. 2 BGB sind. § 1568a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 S. 1 BGB erfassen nicht nur im Miteigentum, sondern auch im Gesamthandseigentum der Ehegatten oder im Alleineigentum eines Ehegatten stehende Wohnungen und darüber hinaus noch weitere, nicht von § 745 Abs. 2 BGB erfasste Fallkonstellationen. Die Tatbestände von § 1568a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 BGB enthalten weder alle Merkmale von § 745 Abs. 2 BGB noch ein zusätzliches weiteres Merkmal, sie enthalten andere Merkmale.[523]

 

Rz. 704

Liegen die Voraussetzungen von § 1568a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 BGB aber vor, so fordert ihr Zweck, Benutzungs- und Vergütungsregelungen hinsichtlich der Ehewohnung nur nach diesen Vorschriften zu beurteilen. Gesetzgeber und Gesetzesverfasser haben insoweit auch im Miteigentum stehende Ehewohnungen einer einheitlichen und abschließenden Regelung unterworfen; es handelt sich um einen Fall der Subsidiarität in Folge erschöpfende Regelung. Nur eine solche Auslegung war die sachliche Übereinstimmung beider Gesetzesbestimmungen. Wendete man § 745 Abs. 2 BGB neben oder statt § 1568a BGB an, führte dies gegebenenfalls zu sich widersprechenden Verwaltungsregelungen oder zu Benutzungs- und Vergütu...

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