Rz. 546

Soweit steuerrechtliche Pflichtverletzungen begangen worden sind, ist der Nachlasspfleger nach § 153 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 34 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist verpflichtet, diese zu berichtigen.[415]

 

Rz. 547

Erfolgen die Anzeige und die Berichtigung nicht unverzüglich, treffen den Nachlasspfleger persönlich sowohl straf- oder bußgeldrechtliche Folgen gemäß §§ 369 ff. AO als auch die Haftung für die Steuerverkürzung gemäß §§ 69, 71 AO.

 

Rz. 548

Für die Berichtigungspflicht ist es irrelevant, ob die Pflichtverletzung vom Nachlasspfleger selbst oder vom Erblasser begangen worden ist. Erkennt der Nachlasspfleger z.B. vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass in der Vergangenheit abgegebene Steuererklärungen fehlerhaft sind, muss er diese korrigieren, auch wenn hierdurch eine höhere Steuer entsteht.

 

Rz. 549

Der Grund für die Fehlerhaftigkeit hat für die Berichtigungspflicht keine Bedeutung. So kann eine vom Nachlasspfleger abgegebene Erbschaftsteuererklärung unrichtig sein, weil er bei der Abgabe der Erklärung ihm bekannte Vermögensgegenstände vergessen hat oder weil ihm einzelne Vermögensgegenstände noch gar nicht bekannt waren, ihm aber vor Eintritt der Festsetzungsverjährung bekannt wurden.

 

Rz. 550

Berichtigt der Nachlasspfleger als fehlerhaft erkannte Steuererklärungen nicht, obwohl die Festsetzungsfrist noch läuft und daher noch eine abweichende (höhere) Steuerfestsetzung möglich ist, ist dies strafbar.

 

Rz. 551

Wird der Tatbestand des § 370 AO vorsätzlich – also mit Wissen und Wollen – sämtlicher Tatumstände verwirklicht, liegt eine Steuerhinterziehung vor. Das Unterlassen der Anzeige und Berichtigung ist eine Tathandlung i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.[416]

 

Rz. 552

Die vorsätzliche Verletzung der Berichtigungspflicht nach § 153 AO erfüllt den Straftatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO auch dann, wenn die Abgabe der mängelbehafteten Erklärung bereits eine leichtfertige Steuerverkürzung darstellt.[417] Ist die Verkürzung noch nicht eingetreten, so liegt ein strafbarer Versuch vor (§ 370 Abs. 2 AO).

 

Rz. 553

Eine Berichtigungspflicht besteht lediglich dann nicht, wenn die Erklärung schon bewusst unrichtig oder unvollständig abgegeben worden ist.[418] Insoweit stellt das Verhalten von vornherein eine vollendete oder versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1, 2 AO) dar, wenn eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder eintreten konnte. Wird gleichwohl eine Berichtigungserklärung abgegeben, so kann diese nur als Selbstanzeige nach § 371 AO gewertet werden. Durch das Tatbestandsmerkmal "nachträgliches Erkennen" der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit schließen sich Selbstanzeige nach § 371 AO und Berichtigungserklärung nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO begrifflich notwendig gegenseitig aus.[419]

 

Rz. 554

Die vorstehenden Überlegungen, die zu einem Entfall der Berichtigungspflicht führen, sind allerdings für einen Nachlasspfleger nur insoweit relevant, als die unrichtige oder unvollständige Erklärung durch seine Person abgegeben worden sind. Der Nachlasspfleger weiß nämlich nie, ob der Erblasser wissentlich eine falsche Erklärung abgegeben hat, so dass immer die Gefahr besteht, dass der Nachlasspfleger eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begeht, wenn es um Erklärungen des Erblassers geht.

 

Rz. 555

 

Beispiel

Dem Nachlasspfleger wird ein Einkommensteuerbescheid für einen Zeitraum vor dem Erbfall bekannt gegeben. In der Erbmasse ist erhebliches Kapitalvermögen festgestellt worden, welches nicht der Zinsabgeltungssteuer unterliegt (z.B. Konto oder Depot im Ausland). Im Einkommensteuerbescheid sind aber keine Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten. Der Nachlasspfleger hat eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO.

 

Rz. 556

Der Nachlasspfleger ist jedoch nicht verpflichtet, das Handeln des Rechtsvorgängers auf Steuerunzulänglichkeiten intensiv zu durchforsten; das heißt, strafrechtlich kann ihm das Unterlassen einer solchen intensiven Überprüfung der Handlungen des Rechtsvorgängers nicht zum Vorwurf gemacht werden.[420]

 

Rz. 557

Eine besondere Prüfungspflicht kann sich allerdings dann ergeben, wenn sich für den Nachlasspfleger Anhaltspunkte ergeben, dass in der Vergangenheit Steuern hinterzogen oder verkürzt worden sind. Dies kann durch Nichtabgabe von Steuererklärungen oder durch Abgabe von inhaltlich unrichtigen Steuererklärungen (z.B. weil Einkünfte verschwiegen wurden) geschehen. Die Frage hat auch Bedeutung dafür, ob die Festsetzungsfrist (siehe Rdn 558 ff.) bereits abgelaufen ist.

Im eigenen Interesse sollte der Nachlasspfleger somit sämtliche Umstände, die zu einer höheren Steuer führen können, dem Finanzamt anzeigen. Nur dann ist er vor dem Vorwurf der Strafbarkeit und Haftung für Steuern (§§ 69 ff. AO) sicher.

[415] BMF v. 23.5.2016, DStR 2016, 1218, Rn 4; ausführlich zu den Rechten und Pflichten des Gesamtrechtsnachfolgers bei nachträglich aufgedeckten Erbschaft- und Schenkungsteuersachverhalten: Halaczinsky, DStR 2006, 828 sowie Stahl/Durst, ZEV 2008, 467.
[416] Schwarz, AO, § 370 Rn 60; FG Münch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge