Rz. 435

Der Nachlasspfleger hat zu unterscheiden: Standen Wohnung oder Haus im Eigentum des Erblassers, ist weder die Wohnungsauflösung noch die Räumung von Haus oder Wohnung erforderlich. Für den Fall, dass der Erblasser die Wohnung im Rahmen eines Mietverhältnisses nutzte, muss der Nachlasspfleger sofort über eine Kündigung der Wohnung entscheiden.

 

Rz. 436

Nach § 564 BGB, ist sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen, nachdem sie vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt haben, dass ein Eintritt in das Mietverhältnis oder dessen Fortsetzung nicht erfolgt sind.

 

Rz. 437

Bei länger befristeten Mietverhältnissen oder bei Mietverhältnissen, bei denen die ordentliche Kündigung für einen längeren Zeitraum ausgeschlossen wurde, ist der Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben mithin berechtigt, das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist von drei Monaten zu kündigen.

Er muss allerdings beachten, dass er lediglich eine Frist von einem Monat für den Ausspruch der Kündigung hat, die mit Kenntnis von dem Mietverhältnis beginnt. Versäumt er sie schuldhaft, setzt er sich ggf. einer Haftung gegenüber den Erben aus.

 

Rz. 438

Die vorgenannte Kenntnis umfasst auch die Kenntnis von einem etwaigen Eintritt dritter Personen in das Mietverhältnis und des Umstandes, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit einem Dritten nicht erfolgt ist. Der Nachlasspfleger sollte sich mit den Vorschriften der §§ 563 ff. BGB vertraut machen, um Klarheit darüber zu gewinnen, wann er überhaupt tätig werden muss.

 

Rz. 439

War im Rahmen der Nutzung der Wohnung des Erblassers dieser alleiniger Mieter, kommen die Regelungen des § 563 BGB zum Tragen. Die jeweilige Person tritt kraft Gesetzes zunächst ohne Abgabe einer Willenserklärung in das Mietverhältnis ein. Soll die Eintrittswirkung verhindert werden, muss die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund der Regelung des § 563 BGB verhindert werden. Die Fortsetzung muss abgelehnt werden.

Der Gesetzestext stellt folgende Rangfolge her:

Ehegatte des Erblassers/Mieters
Lebenspartner und Kinder des Erblassers/Mieters
Familienangehörige des Erblassers/Mieters und sonstige Personen, die in einem auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt mit dem Erblasser/Mieter gelebt haben.
 

Rz. 440

Vorrangig tritt der Ehegatte ein. Er verdrängt auch die Kinder des Erblassers. Lebte der Erblasser mit einem Lebenspartner zusammen, tritt dieser in das Mietverhältnis ein, allerdings (und dies ist die Ausnahme zu dem Ehegatten) im Gleichrang mit den im Haushalt lebenden Kindern des Erblassers.

 

Rz. 441

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass § 563a BGB Regelungen über die Fortsetzung eines Mietverhältnisses mit mehreren Personen enthält. § 563b BGB regelt die Folgen der jeweiligen Vertragsfortsetzung.

Der Nachlasspfleger ist erst gefordert, wenn alle eintrittsberechtigten Personen binnen der gesetzlich geregelten Monatsfrist erklärt haben, das Mietverhältnis nicht fortsetzen zu wollen.

 

Rz. 442

Der Nachlasspfleger sollte weiter beachten, dass in § 100 Abs. 3 Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB-DDR) geregelt war, dass Mieter einer Wohnung beide Ehegatten sind, auch wenn nur ein Ehegatte den Vertrag abgeschlossen hat. Ausgenommen waren lediglich Werkswohnungen. Hier kam der Mietvertrag nur mit dem Mitarbeiter des Betriebs zustande. Sofern beide Ehegatten bereits vor dem 3.10.1990 Mieter von Wohnraum in den neuen Bundesländern waren, gilt die oben genannte Bestimmung fort. Dies gilt selbst dann, wenn die Ehe erst nach dem Abschluss des Mietvertrages eingegangen wurde, das ZGB-DDR zu diesem Zeitpunkt Anwendung fand und die Tatsache der Ehe dem Vermieter bekannt wurde.

 

Rz. 443

Sicherheitshalber sollte der Nachlasspfleger das Mietverhältnis jedenfalls vorsorglich kündigen. Dem Vermieter ist verwehrt, die Kündigung wegen fehlenden Nachweises der Erbberechtigung zurückzuweisen. Die unbekannten Erben sind "erbberechtigt", die Kündigung ist wirksam.

 

Rz. 444

Da die Kündigung des Mietverhältnisses im Interesse der unbekannten Erben ist, da für die nicht mehr genutzte Wohnung keine weiteren Kosten entstehen, bedarf die Kündigungserklärung keiner Genehmigung des Nachlassgerichts (der Schutzzweck des § 1907 BGB ist auf das Betreuungsrecht und den besonderen Schutz der Wohnung des Betreuten ausgerichtet, so dass dieser die Kündigung des Mietverhältnisses des Erblassers nicht umfasst).[340]

[340] LG Meiningen v. 30.1.2013 – 3 S 140/12, ZEV 2013, 513 mit. Anm. Schulz.

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