Rz. 520

Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb ist vom Erwerber (Erbe, Vermächtnisnehmer usw.) dem Finanzamt binnen drei Monaten nach erfolgter Kenntnis anzuzeigen (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Das ist nicht erforderlich, wenn der Erwerb auf einem Testament oder Erbvertrag beruht und sich das "Verhältnis zum Erblasser unzweifelhaft" aus der letztwilligen Verfügung ergibt und die Verfügung vom Nachlassgericht eröffnet wurde (§ 30 Abs. 3 ErbStG); denn dann teilt ohnehin das Nachlassgericht dem Finanzamt den Erwerb mit. Mit "Verhältnis" in diesem Sinne sind die (Rechts-)Verhältnisse zwischen Erwerber und Erblasser gemeint, die den Erbschaftsteuertatbestand ausgelöst haben – vereinfacht gesagt: wenn sich aus dem Testament ergibt, wer was bekommt und die erbschaftsteuerliche Relevanz erkennbar ist. Es verbleibt jedoch bei der Anzeigeverpflichtung, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG unterliegen (bei geschäftsmäßiger Vermögensverwaltung) oder Auslandsvermögen gehört.

 

Rz. 521

 

Hinweis

Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb ist grundsätzlich anzeigepflichtig, gleich, ob er zu einer späteren Steuerfestsetzung führt. Die genaue Prüfung ist der Finanzbehörde vorbehalten.

 

Rz. 522

Unklar ist, ob der Nachlasspfleger nach § 30 ErbStG eine Anzeige zu erstatten hat. Er ist nämlich nicht Erwerber im Sinne des § 30 ErbStG, wohl aber als Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben, deren Verpflichtungen er zu erfüllen hat.

 

Rz. 523

Wegen der Sonderregelung in § 31 Abs. 6 ErbStG und seiner Stellung in § 31 ErbStG wird die Ansicht vertreten, dass der Nachlasspfleger nur dann zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, wenn der vom zuständigen Finanzamt dazu aufgefordert worden ist, ihn aber keine eigene Anzeigepflicht trifft.[398] Für diese Ansicht spricht auch, dass das Finanzamt bereits durch die Mitteilung nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG durch das Nachlassgericht von der Anordnung der Nachlasspflegschaft erfährt und den Nachlasspfleger dann zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auffordern kann.

 

Rz. 524

Um nicht Gefahr zu laufen, eine Anzeigepflicht zu verletzen und dadurch eine leichtfertige Steuerverkürzung oder gar eine Steuerhinterziehung zu begehen, sollte bereits zu Beginn der Pflegschaft eine Anzeige beim zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt getätigt werden.[399] Diese Anzeige kann dann mit der Bitte um großzügige Fristgewährung für die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung verbunden werden, da gerade bei unbekannten Erben die Aufklärung des Steuersachverhaltes sicherlich besonders zeitaufwendig ist.

 

Rz. 525

Muster 3.8: Anschreiben Erbschaftsteuerfinanzamt

 

Muster 3.8: Anschreiben Erbschaftsteuerfinanzamt

Sehr geehrte Damen und Herren,

durch das Amtsgericht Musterstadt bin ich zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des Manfred Mustermann, geboren am _________________________, verstorben am _________________________, zuletzt wohnhaft in Musterhausen, bestellt. Eine Kopie meiner Bestallungsurkunde ist diesem Schreiben beigefügt.

Ich führe in diesem Fall eine aufwendige und vermutlich langwierige Erbenermittlung durch. Bis zum Abschluss der Erbenermittlung und bis zur Erteilung eines Erbscheins sind die Erwerber und Steuerschuldner unbekannt. Eine Schätzung der Erbschaftsteuer würde nach erfolgreicher Erbenermittlung zu einer Vielzahl von Berichtigungsbescheiden führen, da im Regelfall nicht nur ein Erwerber ermittelt wird.

Vor Schätzung der Besteuerungsgrundlagen müssen die Finanzbehörden dem Nachlasspfleger eine am Einzelfall ausgerichtete, angemessene Zeit einräumen, seine Pflicht zur Erbenermittlung sowie seine Mitwirkungspflicht aus § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen (vgl. BFH vom 21.12.2004, II B 110/04, BFH/NV 2005, 704; FG Saarland v. 10.9.2013 – 1 V 1229/13, EFG 2013, 1947; FG Düsseldorf vom 22.8.2007, 4 K 298/05 Erb, ErbStB 2008, 102; FM NRW v. 13.11.2007, S 3843 – 11 V A 2). Nach der zitierten Rechtsprechung waren Zeiträume von 6 bzw. 17 Jahren möglich.

Ich bitte daher höflichst, die Frist für die Abgabe der Steuererklärung stillschweigend zu verlängern, bis der Erbschein vorliegt.

Eine Kopie meines für das Nachlassgericht gefertigten Nachlassverzeichnisses ist beigefügt.

Sollten Ihnen Informationen über weitere, mir unbekannte Vermögenswerte vorliegen, bitte ich um Nachricht.

Mit freundlichen Grüßen

(Unterschrift)

[398] Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rn 592, Meincke, ErbStG, § 31 Rn 12.
[399] Allein die unterlassene Anzeige des Erwerbs dürfte weder eine Steuerordnungswidrigkeit (§ 377 AO) darstellen, noch den Tatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bzw. einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) erfüllen, vgl. Müller, AO-StB 2004, 95, 99; Stahl/Durst, ZEV 2008, 467, 468. Befindet sich im Nachlass jedoch Auslandsvermögen kann allein die Verletzung der Anzeigepflicht eine Steuerhinterziehung, den Versuch einer Steuerhinterziehung oder zumindest eine Steuerverkürzung darstellen, vgl. Werner, StBW 2...

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