Rz. 226

Solange der Erblasser noch in der Gesellschafterliste eingetragen ist, stellt die Ladung der Gesellschafter zu Gesellschafterversammlungen ein Problem dar. Wenn beispielsweise nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ein Auflösungsbeschluss gefasst werden soll, ist nach § 48 Abs. 1 GmbHG eine Gesellschafterversammlung abzuhalten. Dazu haben die Geschäftsführer nach § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG ausnahmslos sämtliche Gesellschafter zu laden. Geschieht dies nicht, ist der im Rahmen der fehlerhaft geladenen Versammlung gefasste Beschluss analog § 241 Nr. 1 AktG nichtig, wenn nicht ausnahmsweise eine Universalversammlung zustande kommt (vgl. § 51 Abs. 3 GmbHG) oder der Ladungsfehler durch Rügeverzicht des Gesellschafters geheilt wird.

 

Rz. 227

Bei der Nachlasspflegschaft besteht häufig die Besonderheit darin, dass lediglich der Erblasser in die Gesellschafterliste eingetragen, mithin allein er relativer Gesellschafter ist und dass angesichts der bislang unklaren Erbfolge die wahren Erben nicht zu ermitteln sind. Wie in einer solchen Situation der zwingenden Ladungsvorschrift des § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG Rechnung getragen werden kann, ist erkennbar in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.

 

Rz. 228

Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. sah eine Gesellschafterlegitimation durch Anmeldung bei der Gesellschaft vor. Sofern der Tod eines Gesellschafters unbekannt war, stellte die Einladung des Verstorbenen nach dieser Auffassung keinen Ladungsfehler dar. Waren die Erben unbekannt, so sollte Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB zu erwirken sein (so die alte Rechtslage).

 

Rz. 229

Ohne Berücksichtigung der in § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG n.F. nunmehr allgemein geregelten formellen Gesellschafterlegitimation schreiben zahlreiche Kommentatoren ihre bereits vor Inkrafttreten des MoMiG vertretene Auffassung fort. Es sollen also nach wie vor im Fall des Todes eines Gesellschafters dessen Erben zu laden sein.[193]

 

Rz. 230

Dieser Auffassung ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach neuer Rechtslage vom Grundsatz her allein die Gesellschafter i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG zu laden sind. In der Gesellschafterliste ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG auch die für die Ladung maßgebliche Anschrift enthalten. Mit dem Erbfall geht nur die materielle Gesellschafterstellung auf die Erben über, nicht hingegen die formale Gesellschafterposition. Diese ist allerdings nach der Neukonzeption des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG zwingende Voraussetzung für die Ausübung der Gesellschafterrechte. Der Erbe erlangt sie nach zutreffender Auffassung erst mit Eintragung in der beim Handelsregister aufgenommenen Liste. Da bei unbekannten Erben einzig der Erblasser als formaler Gesellschafter i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG anzusehen ist, müsste in konsequenter Rechtsanwendung auch nur dieser zu laden sein (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG fingiert nämlich die Gesellschafterstellung im Interesse der Transparenz der Anteilseignerstrukturen). Es sollen der Gesellschaft keine Schäden daraus erwachsen, dass über die Gesellschafterstellung Ungewissheit besteht. Auch wenn der Erblasser nicht mehr in der Lage ist, seine Gesellschafterrechte auszuüben, kann dies nicht zur Folge haben, dass nun an seiner Stelle die Erben diese Rechte wahrnehmen dürfen. Hierdurch würde der Zweck des § 16 Abs. 1 GmbHG – Publizitäts- und Transparenzerzeugung – konterkariert.

 

Rz. 231

Ist der Tod des Gesellschafters der Gesellschaft mitgeteilt worden und sind auch die Erben bekannt, dann muss unverzüglich die Gesellschafterliste geändert und zum Handelsregister eingereicht werden; bis zur Aufnahme der Liste gelte (im Hinblick auf die Mitwirkung eines noch nicht eingetragenen Erben) § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG. Im Fall des zwar bekannten Todes, aber unbekannter Erben, sei bislang angenommen worden, dass eine Nachlasspflegschaft i.S.d. § 1960 BGB eingeleitet werden müsse. Dies gilt wohl auch nach neuer Rechtslage; der Nachlasspfleger wird dann als Vertreter der unbekannten Erben in die Gesellschafterliste aufgenommen und nimmt für diese gem. § 16 Abs. 1 GmbHG deren Rechte wahr.

 

Rz. 232

Jedoch hilft auch die Anordnung der Nachlasspflegschaft noch nicht über das Ladungsproblem hinweg. Denn solange der Nachlasspfleger weder bestellt noch in die Gesellschafterliste eingetragen wurde, kann dieser nicht i.S.d. § 51 GmbHG geladen werden. Der Nachlasspfleger hat die relative Gesellschafterstellung nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG ebenso wenig inne wie die von ihm zu vertretenden Erben.

[193] Baumbach/Hueck/Zöllner, § 51 Rn 6; Michalski/Römermann, § 51 Rn 31; Roth/Altmeppen, § 51 Rn 4; BeckOK-GmbHG/Schindler, Stand: 1.8.2011, § 51 Rn 12; Ensthaler/Füller/B. Schmidt, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 51 Rn 2).

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