Rz. 1

Seit dem 1.1.2008 gilt das neu bearbeitete Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für alle Versicherungsverträge. Für die Leistungsverpflichtung der Versicherungsgesellschaften bedeutet dies, dass eine Leistungsfreiheit grundsätzlich nur noch bei Vorsatz erfolgt.[1] Während vor der Änderung des VVG ein Versicherer die Leistung auch dann verweigern konnte, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hatte, ist dies nach der Neuregelung nicht mehr generell der Fall. Vielmehr ist der Versicherer nunmehr nur noch berechtigt, die Leistung zu einer der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Quote zu kürzen.[2] Erforderlich ist gemäß § 81 Abs. 2 VVG ein objektiv schwerer Sorgfaltsverstoß des Versicherungsnehmers, der subjektiv nicht entschuldigt werden kann.[3]

Beruft sich der Versicherer im Rahmen der Fahrzeugvollversicherung auf eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherten, trägt er insoweit die volle Beweislast.[4]

 

Rz. 2

Verletzt der Versicherungsnehmer vorsätzlich eine vertragliche Obliegenheit, ist der Versicherer leistungsfrei. Bei einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung (z.B. wenn der Versicherungsnehmer seiner Prämienzahlungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachkommt), steht dem Versicherer ebenfalls das Recht zu, die Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers zu kürzen.[5] Der Versicherungsnehmer hat allerdings die Möglichkeit, den Versicherer zur Leistung zu zwingen, wenn er nachweist, dass seine Handlung nicht grob fahrlässig war ("Kausalitätsgegenbeweis").[6] Die Leistungspflicht besteht auch dann, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist.[7] Die Leistungspflicht entfällt jedoch auf alle Fälle, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer arglistig getäuscht hatte.[8]

 

Rz. 3

Diese Regelungen gelten gleichermaßen für die Kfz-Haftpflichtversicherung wie auch für die Fahrzeugversicherung.

[1] § 81 Abs. 1 VVG für die Schadensversicherung.
[2] § 81 Abs. 2 VVG für die Schadensversicherung.
[3] Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.5.2015 – 20 U 234/11, VM 2015, 83; OLG Hamm, Urt. v. 3.5.2021 – I-20 U 256/20, NJW-RR 2021, 1197; LG Dortmund, Urt. v. 1.9.2016 – 2 S 28/15, BeckRS 2016, 21060; vgl. Günther, Zur Kürzung der Versicherungsleistung nach der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers – Aktuelle Fragen zu § 81 Abs. 2 VVG 2008 – zugleich Besprechung LG Münster – 15 O 141/09, r + s 2009, 492; Heß/Burmann, Verminderte alkohol- bzw. drogenbedingte Schuldfähigkeit – Versicherungsleistung, NJW-Spezial 2009, 665.
[4] LG Berlin, Urt. v. 13.5.2015 – 44 O 211/14.

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