Rz. 146

Nicht ganz so einfach ist es, wenn Streitgenossen durch einen RA vertreten werden und der Gegner gegen einen Teil der Streitgenossen obsiegt und gegenüber anderen Streitgenossen verliert.

 

Rz. 147

 

Beispiel

A nimmt in einem Rechtsstreit B und C als Gesamtschuldner wegen eines Anspruchs in Höhe von 15.000,00 EUR in Anspruch. Streitgenosse B obsiegt, C verliert. Nach der Kostengrundentscheidung hat A die außergerichtlichen Kosten von B zu erstatten.

 

Rz. 148

Zwei unterschiedliche Meinungen in Rechtsprechung und Literatur haben für den Gegner der Streitgenossen deutlich spürbare verschiedene Konsequenzen in der Höhe seiner Erstattungsverpflichtung, und für die Streitgenossen darüber hinaus im Anspruchsverhältnis zueinander. Die nach den zwei Methoden von dem obsiegenden Streitgenossen geltend zu machenden Kosten ergeben sich wie folgt:

1. Berechnungsmethode:

 
Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG (1,3) aus 15.000,00 EUR 845,00 EUR
Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG (1,2) aus 15.000,00 EUR 780,00 EUR
Post- und Telekommunikationsentgelte gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe 1.645,00 EUR

2. Berechnungsmethode:

 
Verfahrensgebühr gem. Nrn. 3100, 1008 VV RVG (1,6) aus 15.000,00 EUR 1.040,00 EUR
Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG (1,2) aus 15.000,00 EUR 780,00 EUR
Post- und Telekommunikationsentgelte gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe 1.840,00 EUR
Davon kann B ½ entsprechend seines Kopfanteils gegenüber A geltend machen 920,00 EUR

Bei der 1. Berechnungsmethode werden mit Ausnahme der erhöhten Gebühr sämtliche Kosten des obsiegenden Streitgenossen als Erstattungsanspruch geltend gemacht, so dass nach Erfüllung durch den Erstattungspflichtigen der unterliegende Streitgenosse nur noch die 0,3 erhöhte Gebühr zu tragen hat.

Bei der Berechnung nach der 2. Methode werden sämtliche Gebühren und Auslagen unter Einschluss der erhöhten Gebühr addiert und durch die Kopfanzahl der Streitgenossen geteilt. Das Ergebnis stellt den Erstattungsanspruch des obsiegenden Streitgenossen dar. Im vorstehenden Beispiel hat der Streitgenosse, der den Rechtsstreit verloren hat, nach Erstattung des Gegners gem. der 2. Berechnungsmethode 920,00 EUR zu tragen und bei Anwendung der 1. Methode nur 195,00 EUR (0,3 erhöhte Gebühr aus 15.000,00 EUR).

 

Rz. 149

Die vorgestellte zweite Berechnungsmethode ist inzwischen herrschende Meinung durch mehrere BGH-Entscheidungen[57] geworden. Sie ist auch sachlich gerechtfertigt, sofern beide Streitgenossen im Innenverhältnis dem Rechtsanwalt hälftig verpflichtet sind.

Schon früh hat der BGH entschieden:

Zitat

"Bei Beauftragung eines gemeinsamen Rechtsanwalts durch Streitgenossen kann der obsiegende Streitgenosse von dem unterlegenen Gegner nur in Höhe des seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteils, nicht entsprechend seinem Haftungsanteil nach § 6 Abs. 2 S. 1 BRAGO[58] Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten verlangen."

Eine Ausnahme zu dieser Bruchteilsauffassung sieht der BGH nur, wenn feststeht, dass der obsiegende Streitgenosse seinen gesetzlichen Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB aufgrund Zahlungsunfähigkeit des anderen Streitgenossen nicht realisieren kann und er deshalb mit den vollen Kosten belastet wird oder – wenn er bereits über seinen Anteil hinaus gezahlt hat – den ihm im Innenverhältnis zustehenden Ausgleich nicht erhalten wird.[59] Dabei reicht es nicht aus, dass der antragstellende Streitgenosse die Zahlungsunfähigkeit des anderen Streitgenossen behauptet oder gar nur die Befürchtung äußert, den Ausgleichsanspruch nicht realisieren zu können. Die Zahlungsunfähigkeit ist glaubhaft zu machen, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO.

 

Rz. 150

 

Praxishinweis

Der RA, der die Streitgenossen vertritt und feststellt, dass der obsiegende Streitgenosse seinen Anteil im Innenverhältnis gegen den anderen Streitgenossen wegen Zahlungsunfähigkeit nicht wird realisieren können, sollte diesen Umstand im Kostenfestsetzungsverfahren durch Vorlage entsprechender Unterlagen, wie einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung, eines Insolvenzantrages oder -eröffnungsbeschlusses oder auch eine strafbewehrte eidesstattliche Versicherung des zahlungsunfähigen Streitgenossen glaubhaft und die Vergütung nach der 1. Berechnungsmethode gegen den Gegner geltend machen.

 

Rz. 151

Das OLG Hamm hat in Kenntnis der zu diesem Zeitpunkt bereits ergangenen BGH-Entscheidungen die Kostenübernahmeverpflichtung des Gegners der dem obsiegenden Streitgenossen entstandenen Vergütung anders beurteilt[60] und geht nach der 1. Berechnungsmethode vor. In Bezug auf den Ausgleichsanspruch des obsiegenden Streitgenossen gegenüber dem weiteren Streitgenossen führt das OLG u.a. aus, dass der BGH das Regulierungsinteresse des erstattungsberechtigten Streitgenossen mit der "Ausfallbürgschaft" des Gegners nur unzureichend berücksichtigen würde. Ferner führt das OLG Hamm u.a. als Argument noch an, dass der obsiegende Streitgenosse bei einer Einzelvertretung von dem Risiko der Eigenhaftung gänzlich freigestellt würde.

Die in den ergangen...

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