Rz. 1288

Die jeweiligen Einkünfte, die zur vollen Bedarfsdeckung ausreichen, dürfen sich nicht nur unerheblich voneinander unterscheiden.

Der Aufstockungsunterhalt soll ehebedingte Vorteile sichern und den ehelichen Lebensstandard ohne unangemessenen sozialen Abstieg erhalten. Deshalb sind nur nicht ganz geringfügige Einkommensunterschiede auszugleichen.

a) Erheblichkeit unterschiedlicher Einkünfte

 

Rz. 1289

Bei lediglich geringfügigen Einkommensunterschieden scheidet der Anspruch aus.

Eine allgemeine Grenze für die Frage der Geringfügigkeit lässt sich jedoch nicht festlegen. Hier kommt es auf die konkreten Einkommensverhältnisse im Einzelfall an. Je beengter die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, desto eher ist von einer Erheblichkeit der Einkommensunterschiede auszugehen. So ist nach Auffassung des OLG Karlsruhe auch ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gegeben, wenn die Einkommensdifferenz lediglich 63 EUR beträgt und im konkreten Einzelfall der Berechtigte in sehr engen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und der rechnerische Unterschiedsbetrag deshalb so gering ist, weil er auf der Zurechnung fiktiven Einkommens beruht.[1366]

 

Rz. 1290

Auch bei Bestimmung der Geringfügigkeit im Einzelfall wird allgemein bei einer Einkommensdifferenz von weniger als 10 % angenommen werden müssen, dass Geringfügigkeit vorliegt.[1367] Es kann dann nicht mehr davon die Rede sein, dass die Zielrichtung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs gewahrt ist, einen unangemessenen sozialen Abstieg zu verhindern.

Bei geringfügigen Einkommensunterschieden scheidet der Anspruch deshalb aus.[1368]

 

Rz. 1291

 

Beispiel

Das bereinigte monatliche Nettoeinkommen des Mannes beträgt 2.400 EUR, das der Frau 2.000 EUR, ihr Gesamteinkommen 4.400 EUR. 10 % davon sind 440 EUR. Die Einkommensdifferenz beträgt 400 EUR. Damit liegt der Aufstockungsunterhalt unter der Geringfügigkeitsgrenze mit der Folge, dass F keinen Unterhalt von M fordern kann.

 

Rz. 1292

Das OLG München hielt in früherer Entscheidung einen Mindestbetrag des Unterhaltsanspruchs von – umgerechnet – 50 EUR für erforderlich.[1369]

Nach – allerdings viele Jahre zurückliegender – Auffassung des BGH darf ein Unterhaltsanspruch von – umgerechnet – zumindest mehr als rd. 82 EUR nicht vernachlässigt werden.[1370]

Das OLG Koblenz sieht die Grenze bei weniger als 10 % des Gesamteinkommens der Eheleute.[1371] Eine solche Lösung erscheint sachgerecht, da im Einzelfall auf die Relation des Unterhalts zum Einkommen abzustellen sein wird.[1372]

[1367] OLG Koblenz FamRZ 2006, 704 + FK 2006, 23; OLG München FuR 2004, 179; Soyka, FK 2006, 1.
[1368] OLG München FamRZ 1997, 425: unter 50 EUR; ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 947; OLG München FamRZ 2004, 1208: das Einkommen des Verpflichteten muss dasjenige des Berechtigten um 10 % übersteigen; vgl. auch OLG Brandenburg FamRZ 2005, 210; anders KG FamRZ 2008, 415, 416: die Frage der Geringfügigkeit hängt von den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen ab; in jedem Fall sind 115 EUR (8,4 % des eigenen Einkommens) nicht unbeachtlich; BGH FamRZ 1984, 988, 990: Bei einem Unterhaltsanspruch in einer Höhe von mehr als 160 DM kann eine Titulierung nicht unterbleiben; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1082: 63 EUR nicht mehr gering.
[1369] OLG München FamRZ 1997, 425.
[1370] BGH FamRZ 1984, 988.
[1371] NJW-RR 2006, 95.
[1372] Zum Anspruch bei geringer Einkommensdifferenz OLG Hamm FamRZ 2019, 792; dazu ausführlich Kleffmann/Soyka/Kleffmann, Kap. 4 Rn 265 f.

b) Berechnungsmethoden des Einkommensgefälles

 

Rz. 1293

Bei den Methoden der Unterhaltsberechnung und damit der Feststellung des Unterhaltsgefälles wird danach unterschieden, welche Einkünfte die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.

Grundsätzlich unterscheiden sich die Methoden lediglich im Berechnungsweg, nicht jedoch im Ergebnis. Es wird unterschieden zwischen der Quotenmethode, der Differenzmethode sowie der Additionsmethode.

 

Rz. 1294

Die Quotenmethode kommt zur Anwendung, wenn lediglich der Schuldner über Erwerbseinkünfte verfügt hat (Alleinverdienerehe). Der Unterhalt errechnet sich mit 45 % des bereinigten Nettoeinkommens, sofern der Berechtigte nach Trennung/Scheidung keine Tätigkeit aufgenommen hat und ihm eine solche auch nicht zumutbar ist.

 

Rz. 1295

 

Beispiel

Ehemann anrechenbar 2.100 EUR, Ehefrau 0 EUR; Anspruch Ehefrau: 2.100 EUR x 45 % = 945 EUR

 

Rz. 1296

Haben beide Ehegatten gearbeitet und haben sich die Verhältnisse nicht geändert (Doppelverdienerehe) errechnet sich der Unterhalt mit 3/7 der Differenz der Einkünfte zwischen den Eheleuten (Differenzmethode).

 

Rz. 1297

 

Beispiel

Ehemann 2.100 EUR, Ehefrau 1.400 EUR; Anspruch Ehefrau: 2.100 EUR ./. 1.400 EUR x 45 % = 315 EUR.

 

Rz. 1298

In allen anderen Fällen erscheint die Wahl der Additionsmethode sinnvoll. Die Methodenwahl ist jedoch "Geschmacksache". Viele Juristen bevorzugen grundsätzlich die Anwendung der Differenzmethode als "einfachere Rechenart".

 

Rz. 1299

Bei der Additionsmethode wird zweistufig vorgegangen, zunächst der Bedarf des Berechtigten nach den ehelichen Lebensverhältnissen festgestellt (Additionsstufe). Sodann wi...

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