Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Verstoß gegen die allgemeine Erwerbsobliegenheit kann Frauen ohne Berufsausbildung im Allgemeinen ein Einkommen von monatlich 1.800 DM = 920,33 Euro zugerechnet werden.

2. Auch der als Trennungsunterhalt geltend gemachte Anspruch auf Aufstockungsunterhalt darf nicht dazu führen, lediglich geringfügige Einkommensunterschiede auszugleichen.

 

Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Urteil vom 27.06.2003; Aktenzeichen 21 F 61/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die auf dem Gebiet der neuen Bundesländer lebenden Parteien streiten um Trennungsunterhalt.

Die miteinander verheirateten Parteien leben seit November 2000 voneinander getrennt. Ihre Ehe ist kinderlos geblieben.

Die am 18.7.1952 geborene Klägerin ist gelernte Dreherin. Diese Tätigkeit übte sie bis etwa 1986 aus, sodann arbeitete sie als Sachbearbeiterin. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Klägerin zunächst arbeitslos, nachfolgend übte sie geringfügige Beschäftigungen aus, teilweise nahm sie an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teil. Seit Juli 2001 übt sie bei der Volkssolidarität in der häuslichen Kranken- und Altenpflege eine geringfügige Beschäftigung bei 20 Wochenarbeitsstunden aus. Ergänzend bezieht sie Sozialhilfe sowie Wohngeld. Von September 2002 bis Februar 2003 hat sie eine Ausbildung zur Schwesternhelferin im Pflegedienst absolviert.

Der am 17.11.1950 geborene Beklagte war auch nach der Trennung zunächst weiterhin vollschichtig erwerbstätig. Aufgrund arbeitgeberseitig erfolgter Kündigung war er sodann vom 16.1.2003 bis einschließlich Juni 2003 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Zum 2.7.2003 trat er erneut eine vollschichtige Beschäftigung bei einer Zeitarbeitsfirma an. Noch innerhalb der Probezeit wurde ihm zum 23.9.2003 durch seinen Arbeitgeber gekündigt. Seither ist er erneut arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld. Zum Erwerb eines Pkws hat der Beklagte unter dem 1.3.2001 einen Kredit aufgenommen. An Kreditraten waren zunächst 379 DM zu zahlen; aufgrund einer Umstellungsvereinbarung mit dem Kreditgeber wurde der Kredit sodann gestundet, im Januar 2003 waren sodann 171,28 Euro und in den Monaten danach 193,78 Euro zu zahlen.

Mit Schreiben vom 21.10.2002 hat die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 236 Euro monatlichen Unterhalt ab Oktober 2002 aufgefordert.

Die Klägerin hat behauptet, angesichts ihrer Vorbildung und ihrer mangelnden Berufungserfahrung keine anderweitige Erwerbstätigkeit finden zu können. Ihrer Auffassung nach sei weder die bezogene Sozialhilfe noch das Wohngeld, dem ein entsprechend höherer Wohnkostenbedarf gegenüberstehe, zu berücksichtigen. Der Beklagte habe seine Arbeitsstelle im Januar 2003 verschuldet verloren und müsse sich ihrer Auffassung nach daher als fiktiv leistungsfähig mit seinem zuvor bezogenen Einkommen behandeln lassen.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie für die Zeit von Oktober 2002 bis einschließlich Februar 2003 insgesamt 1.180 Euro und für die Zeit ab März 2003 monatlich laufend 236 Euro an Trennungsunterhalt zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, sein Arbeitgeber habe ihm im Januar 2003 aus betrieblichen Gründen gekündigt. Eine erneute Beschäftigung habe er trotz ausreichender Bemühungen zunächst nicht finden können. Der Klägerin ihrerseits sei seiner Auffassung nach ein Verstoß gegen die sie treffenden Erwerbsobliegenheiten vorzuwerfen.

Mit dem am 27.6.2003 verkündeten Urteil hat das AG Bad Liebenwerda unter Abweisung der weiter gehenden Klage den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von Oktober 2002 bis einschließlich Februar 2003 einen Unterhaltsrückstand von insgesamt 734 Euro und für die Zeit ab dem 1.3.2003 einen monatlichen Trennungsunterhalt von 13 Euro zu zahlen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.

Der Beklagte behauptet, die Aufnahme des Pkw-Kredites in 2001 sei notwendig gewesen, da er den Pkw berufsbedingt benötige. Seiner Auffassung nach könne er daher die Kreditrate von seinen Einkünften als ehebedingte Verbindlichkeit in Abzug bringen. Für seine von Juli bis September aufgenommene Tätigkeit seien zudem die Fahrtkosten von Laufen nach Finsterwalde abzugsfähig, da er alle zwei Wochen nach Finsterwalde zurückgekehrt sei und darüber hinaus von Laufen bis zu seinen Arbeitsplatz in Leingarten 13 km je einfacher Strecke pro Tag zurückgelegt habe.

Der Beklagte beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin, die ihre ursprünglich eingelegte Anschlussberufung unter dem 18.3.2004 zurückgenommen hat, beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das AG habe den Beklagten trotz eines Verstoßes gegen die ihn treffende Erwerbsobliegenheit zu Unrecht keiner Einkommensfiktion unterwo...

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