Rz. 473

Der Schutz des § 1361 Abs. 2 BGB für das erste Trennungsjahr gilt nicht für den bei Trennung erwerbstätigen Ehegatten einer Doppelverdienerehe. Da die ehelichen Lebensverhältnisse "fortzuschreiben" sind, hat grundsätzlich jeder Ehegatte nach der Trennung seine bisherige Erwerbstätigkeit fortzusetzen.[498]

 

Rz. 474

Aufgeben kann ein Ehepartner diese Tätigkeit nur in besonderen Fällen, z.B. bei einer neu auftretenden Krankheit, aber auch dann, wenn der Ehegatte bisher in dem Betrieb des anderen mitgearbeitet hatte und ihm dies wegen der trennungsbedingten Spannungen nicht mehr zuzumuten ist.

 

Rz. 475

Arbeitet ein Ehegatte während der Lebensgemeinschaft in Teilzeittätigkeit, wird er sich nach Trennung unter Berücksichtigung der entsprechenden Kriterien zu gegebener Zeit um eine erweiterte – ggf. vollzeitliche – Erwerbstätigkeit bemühen müssen. Eine sozial sichere Teilzeitstelle ist zunächst nicht aufzugeben. Der betroffene Ehegatte muss sich aber um eine Ausweitung der Beschäftigung bemühen.

 

Rz. 476

Falls dies nicht möglich ist, ist im Einzelfall abzuwägen, ob dem Ehegatten die Aufgabe dieser Tätigkeit zugunsten einer unsicheren, ggf. in der Probezeit kündbaren Ganztagsstelle zuzumuten ist. Ist dies nicht der Fall, muss sich der Unterhaltsberechtigte allerdings um eine weitere angemessene Nebentätigkeit bemühen, um seiner Erwerbsobliegenheit zu genügen.[499] Fehlt es hieran, können ihm fiktive Einkünfte zugerechnet werden.

 

Rz. 477

Umgekehrt kann möglicherweise die Fortsetzung einer bei Trennung ausgeübten Erwerbstätigkeit unzumutbar sein. Dies kann namentlich dann der Fall sein, wenn gemeinschaftliche, betreuungsbedürftige Kinder während intakter Ehe von beiden Ehegatten betreut worden sind und diese notwendige Mithilfe eines Ehegatten infolge der Trennung wegfällt. Dies kann in einer entsprechenden Zumutbarkeitsabwägung[500] in die Konsequenz münden, dass die bisherige Erwerbstätigkeit nur eingeschränkt oder überhaupt nicht ausgeübt werden muss.

Ist dies der Fall, erzielt der Unterhaltsberechtigte Einkünfte aus unzumutbarer Tätigkeit. Diese werden nach den Grundsätzen des § 1577 Abs. 2 BGB berücksichtigt. Es gelten hierzu die Regeln des § 1577 Abs. 2 BGB.

 

Rz. 478

Obwohl beim Trennungsunterhalt eine entsprechende Bestimmung fehlt und § 1577 BGB für den nachehelichen Unterhalt gilt, dürfen die q2 bei der Beurteilung des Trennungsunterhaltes nicht außer Acht gelassen werden. Es muss gewährleistet sein, dass bei an sich gleicher Sachlage der Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht niedriger ausfällt als der nacheheliche Unterhalt. Deshalb sind die Grundsätze des § 1577 BGB in entsprechender Weise auch auf den Trennungsunterhalt anzuwenden.[501]

 

Rz. 479

Hinsichtlich des Rechenweges bei überobligatorischer Tätigkeit ist zunächst festzustellen, welcher Teil des Erwerbseinkommens auf unzumutbaren Erwerbsbemühungen beruht. Sodann ist im Wege einer Billigkeitsabwägung festzulegen, wieviel von dem Einkommen bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden soll. Der sich ergebende Betrag ist als normales eheprägendes Einkommen in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen.

Zu solchen überobligatorischen Tätigkeiten gehört z.B. die Arbeitsaufnahme nach Trennung trotz Betreuung von Kindern unter drei Jahren, bei der Erzielung von Einkünften aus nicht zumutbarer Vermietung oder bei Erzielung von Nebeneinkünften im Rentenalter.

 

Rz. 480

Dies bedeutet nicht, dass überobligatorisches Einkommen grundsätzlich überhaupt nicht angesetzt wird. Es ist vielmehr im Rahmen des § 1577 Abs. 2 BGB zu kürzen. Betreut deshalb der unterhaltsberechtigte Ehepartner während der Trennungszeit gemeinsame oder auch nicht gemeinschaftliche, im Haushalt lebende Kinder unter drei Jahren, wird sein Einkommen um einen Teil, etwa bis zur Hälfte, zu kürzen sein.[502] Dasselbe gilt bei einer Tätigkeit im hohen Alter. Auch wird ein entsprechender Teil anrechnungsfrei bleiben müssen.[503]

[498] BGH FamRZ 1981, 1159; BGH FamRZ 1985, 782.
[499] OLG Frankfurt FamRZ 2000, 25.
[500] OLG München FamRZ 1982, 270.
[501] BGH FamRZ 1983, 146.
[503] BGH FamRZ 2011, 454.

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