Rz. 1973

Nach § 1609 Nr. 2 BGB stehen Ehegatten den minderjährigen Kindern sowie den Kindern nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB nicht mehr gleich, sondern folgen ihnen im Rang nach. Vorrangig sind Ehegatten dem gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern, § 1609 Nr. 4 BGB. Dasselbe gilt auch für verheiratete minderjährige Kinder. Der Vorrang des § 1609 Nr. 1 BGB knüpft bei minderjährigen Kindern ausdrücklich am Status des Nichtverheiratetseins an.

 

Rz. 1974

Der Nachrang begrenzt allerdings den Volljährigenunterhalt, sein Einfluss auf die ehelichen Lebensverhältnisse begrenzt den Ehegattenunterhalt.

Nach richtiger Auffassung des BGH darf der Vorabzug des Kindesunterhalts vom Einkommen nicht zu einem unangemessen geringen Bedarf des Ehegatten führen.[2101]

 

Rz. 1975

Folgende Verfahrensweise bietet sich an:[2102]

Ehegattenunterhalt wird unter Vorabzug des nachrangigen Kindesunterhalts errechnet.
Ergibt sich danach Ehegattenunterhalt unterhalb des angemessenen Selbstbehalts von 1.650 EUR,[2103] ist der volle Vorabzug ungerechtfertigt.
Zum Vergleich wird der Ehegattenunterhalt ohne Vorabzug berechnet. Ist er geringer als der angemessene Selbstbehalt von 1.650 EUR, dann ist er gegenüber dem Volljährigen vorrangig zu berücksichtigen,
Ist der Ehegattenunterhalt ohne Vorabzug des Volljährigenunterhalts höher als der angemessene Selbstbehalt, wird er durch diesen begrenzt; der Ehegattenunterhalt hat die Höhe des angemessenen Selbstbehalts.
 

Rz. 1976

 

Rechenbeispiel

Einkommen M 3.400 EUR; Unterhaltspflicht gegenüber der geschiedenen F und dem auswärts studierenden Sohn K.

 
Bedarf von K: 930 EUR – 250 EUR Kindergeld = 680 EUR
F: 3.400 EUR – 680 EUR = 2.720 EUR x 45 % = 1.224 EUR

M bleiben 3.400 EUR – 680 EUR – 1.224 EUR = 1.496 EUR, weniger als der angemessene Selbstbehalt von 1.650 EUR.

Der vorrangige Bedarf der F ist zu korrigieren nach der Ehegattenquote, höchstens dem Selbstbehalt von M:

F: 3.400 EUR x 45 % = 1.530 EUR; es bleibt mehr als 1.650 EUR und daher maßgebend.

 
K erhält den verfügbaren Rest: 3.400 EUR – 1.530 EUR – 1.650 EUR = 220 EUR
M bleiben 3.400 EUR – 1.530 EUR – 220 EUR = 1.650 EUR
 

Rz. 1977

 

Hinweis

Kindesunterhalt richtet sich nach dem tatsächlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Ist dies, z.B. wegen Lottogewinns nach Scheidung oder aufgrund eines nicht eheprägenden Einkommens aus einem Karrieresprung höher als das eheprägende Einkommen, muss für die Bedarfsprägung ein fiktiver Kindesunterhalt aufgrund des eheprägenden Einkommens gebildet werden, da der Kindesunterhalt nur in dieser Höhe die Lebensverhältnisse der Ehe geprägt hat.

[2101] BGH FamRZ 1986, 553, 555.
[2102] So Gutdeutsch, FamRZ 2008, 736; Wendl/Dose/Gutdeutsch, § 5 Rn 137.
[2103] Stand 1.1.2023.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge