Rz. 86

 

Hinweis:

Die Streitwertermittlung in Miet- oder Pachtvertragssachen gehört zu den Angelegenheiten, in denen man sehr leicht sehr große Fehler machen kann. Wenn Sie hierbei den falschen Paragrafen heranziehen, erhalten Sie möglicherweise einen Streitwert von der 25-fachen Höhe des Wertes, der sich nach der richtigen Wertvorschrift ergibt. Einen solch großen Unterschied ergeben die Bewertungsvorschriften für den Zuständigkeitsstreitwert und für den Gebührenstreitwert. Es ist daher bei Miet- oder Pachtverträgen noch mehr als sonst notwendig, diese beiden Streitwertarten streng auseinander zu halten.

 

Rz. 87

Der Zuständigkeitsstreitwert und der Rechtsmittelstreitwert in Miet- oder Pachtvertragssachen werden nach § 8 ZPO bestimmt, sofern die sachliche Zuständigkeit bei Mietverhältnissen über Wohnraum nicht sowieso schon durch § 23 Ziff. 2 Lit. a GVG ohne Rücksicht auf den Wert den Amtsgerichten zugesprochen ist. Von § 8 ZPO werden aber nur die Fälle betroffen, in denen das Bestehen oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses streitig ist, wobei sich dann der Zuständigkeitsstreitwert aus dem auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Entgelt ergibt, höchstens aber dem 25fachen Jahresbetrag. Ein Rechtsstreit wegen Zahlung des Miet- oder Pachtentgelts oder sonstiger Leistungen fällt nicht unter § 8 ZPO.

 

Rz. 88

Der Gebührenstreitwert in Miet- oder Pachtvertragssachen wurde aus sozialen Gründen (nur) in den in § 41 GKG genannten Streitigkeiten besonders niedrig gehalten; er darf höchstens nach dem einjährigen Entgelt berechnet werden.

Beachten Sie, dass § 41 GKG nicht für Leistungsklagen auf Zahlung rückständigen Miet- oder Pachtentgelts gilt: Streitwert ist hier natürlich der eingeforderte Betrag.

1. Streit über Bestehen oder Dauer eines Miet- oder Pachtvertrages (§ 41 Abs. 1 GKG)

 

Rz. 89

Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, so ist für die Berechnung des Gebührenstreitwertes das einjährige Entgelt ("Miete", "Pacht") heranzuziehen. Bezieht sich der Streit auf einen kürzeren Zeitraum, so ist der Streitwert für diesen Zeitraum zu berechnen (§ 41 Abs. 1 GKG). Beachten Sie die Erläuterungen über den Begriff des Miet- und Pachtentgelts in Rdn 94.

Der Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 GKG betrifft alle Fälle, in denen die Parteien um Bestehen, Nichtbestehen oder Dauer eines Miet- oder Pachtvertrages streiten, worunter insbesondere folgende Klagen fallen:

Feststellungsklage, dass ein Miet- oder Pachtvertrag (auch Untermietvertrag) besteht oder nicht besteht, oder über dessen Dauer.
Feststellungsklage, dass eine fristgerechte oder fristlose Kündigung unwirksam ist.
 

Rz. 90

Nicht anzuwenden ist § 41 Abs. 1 GKG z. B. bei Streitigkeiten über die Zahlung des Miet- oder Pachtentgelts oder wenn das Gericht den Inhalt des Mietvertrages feststellen soll.

Die nach § 41 Abs. 1 GKG zu berücksichtigende streitige Zeit beginnt regelmäßig mit der Klageerhebung. Das Ende dieser streitigen Zeit ist

bei einem auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Vertrag das Vertragsende und
bei einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag der Zeitpunkt, zu dem die nächste Kündigung zulässig ist.
Bei einer fristlosen Kündigung wird die streitige Zeit vom Zeitpunkt der fristlosen Kündigung bis zum Zeitpunkt des nächsten ordentlichen Kündigungstermins berechnet.
 

Beispiel:

Förster und Fleischer streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Jagdpachtvertrag auf vier Jahre wirksam abgeschlossen ist. Es war ein monatliches Pachtentgelt von 400,00 EUR vereinbart. Der Gebührenstreitwert beträgt 12 x 400,00 EUR = 4.800,00 EUR.

 

Merke:

Bei Streit über Bestehen oder Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses ist der Gebührenstreitwert höchstens das einjährige Entgelt.

2. Räumungsklage nach Beendigung eines Miet- oder Pachtvertrages (§ 41 Abs. 2 GKG)

 

Rz. 91

Wenn ein Miet- oder Pachtverhältnis oder ein ähnliches Nutzungsverhältnis abgelaufen oder gekündigt ist und dann Räumungsklage erhoben wird, so ist aus sozialen Gründen der Gebührenstreitwert höchstens der Betrag des Entgelts für ein Jahr; er ist geringer, wenn die streitige Zeit weniger als ein Jahr ausmacht (§ 41 Abs. 2 S. 1 GKG). Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist diese auch dann anzuwenden, wenn gleichzeitig ein Streit über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses ansteht.

Nach der Formulierung des § 41 Abs. 2 GKG gilt dieser nur für die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils, nicht jedoch für die Klage auf Herausgabe beweglicher Sachen. Geht es weiterhin um die Herausgabe einer Sache, ohne das ein Miet- oder Pachtverhältnis vorliegt, so ist die Bewertung in diesen Fällen nach dem Verkehrswert gemäß § 6 ZPO vorzunehmen (siehe Rdn 85). Dies trifft z. B. zu, wenn der Käufer als neuer Eigentümer einer Eigentumswohnung vom Verkäufer die Räumung verlangt – denn es liegt hier kein Miet- oder sonstiges Nutzungsverhältnis vor.

Sollte zusätzlich zum Räumungsverlangen rückständiges Miet- oder Pachtentgelt eingeklagt werden, sind gemäß § 5 ZPO (§ 22 Abs. 1 RVG) der Jahresbetrag (also 12 x Monatsmiete/ -pacht) und das rückständige Entgelt zu addieren, wobei der Rückstand auch das einjährige Entgelt über...

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