Rz. 125

Wie schon vorstehend dargelegt, kann es vorkommen, dass eine gerichtliche Streitwertfestsetzung nicht gemäß § 32 RVG für den Gegenstandswert der Anwaltstätigkeit maßgebend sein kann. Einige Gründe hierfür seien nachfolgend beispielshalber zusammengefasst:

a) Das gerichtliche Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Das Gericht hat also keinen Anlass, einen Gebührenstreitwert festzusetzen. So werden beispielsweise für das Bewilligungsverfahren über die Prozesskostenhilfe keine Gerichtsgebühren erhoben, jedoch erhält der RA, der den Antrag gestellt hat, eine Gebühr nach Nr. 3335 VV RVG. Der Gegenstandswert für diese Gebühr kann deshalb nach § 33 RVG festgesetzt werden.
b) Als Gerichtskosten fallen Festgebühren an, die Anwaltsgebühren werden dagegen nach dem Gegenstandswert berechnet. Dies kann beispielsweise in Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung der Fall sein, wenn für Vollstreckungshandlungen des Vollstreckungsgerichts Festgebühren z. B. nach Nr. 2111 KV GKG (22,00 EUR), nach Nr. 2113 KV GKG (22,00 EUR) oder nach Nr. 2118 KV GKG (66,00 EUR) erhoben werden, der RA aber eine wertabhängige Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG berechnet.
c) Wenn z. B. vor dem Amtsgericht die Partei selbst Klage einreicht und erst nachdem sich der Anspruch teilweise erledigt hat, einen RA mit der Fortführung des Prozesses beauftragt, dann ist für die Gerichtsgebühren der gesamte Streitwert maßgebend, für die Anwaltsgebühren dagegen nur der übriggebliebene Teil.
d) Es kann sein, dass ein RA nur einen von mehreren Streitgenossen vertritt, wobei das Gericht nach § 5 ZPO die Klageforderungen aller Streitgenossen zusammengerechnet hat. Der RA kann seine Gebühren aber nur nach dem Wert berechnen, mit dem der von ihm vertretene Streitgenosse an dem Verfahren beteiligt ist.
e) Falls in einem Prozess auch über nicht rechtshängige Gegenstände mit verhandelt wurde ohne dass es zu einer Einigung darüber gekommen ist, dann ist auch für diese Gegenstände eine Terminsgebühr entstanden. Das Gericht setzt den Streitwert aber nur für die rechtshängigen Gegenstände fest. Auf Antrag muss das Gericht auch für die nicht rechtshängigen Gegenstände einen Wert nach § 33 RVG festsetzen.
 

Beispiel:

Der durch einen Verkehrsunfall verletzte Putt verklagt den Halter und den am Unfall schuldigen Fahrer des Pkw als Gesamtschuldner auf Zahlung von 5.000,00 EUR Schadenersatz und zusätzlich den Fahrer auf Zahlung von 2.000,00 EUR Schmerzensgeld. Die RAe des Putt und des Fahrers können ihre Gebühren nach dem vom Gericht festgesetzten Gesamtstreitwert des Verfahrens in Höhe von 7.000,00 EUR berechnen, der RA des Halters dagegen nur nach dem Wert, für den er beauftragt ist, also 5.000,00 EUR.

 

Rz. 126

In den vorstehenden und ähnlichen Fällen ist die Wertfestsetzung nach den §§ 62 und 63 GKG i. V. m. § 32 RVG nicht möglich. Um dennoch eine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren zu ermöglichen, wurde § 33 in das RVG aufgenommen. Diese Vorschrift schafft ein eigenständiges Festsetzungsverfahren nur zum Zwecke der Festsetzung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren. Das Wertfestsetzungsverfahren des § 33 RVG hat einige Besonderheiten, die es von dem Verfahren des § 32 RVG unterscheidet:

Eine Wertfestsetzung erfolgt in ihm nur auf Antrag, nicht von Amts wegen.
Die Wertfestsetzung betrifft nur die Gebühren des RA (oder dessen Auftraggeber), der den Antrag gestellt hat, nicht die Gebühren anderer am Verfahren beteiligter RAe (z. B. eines Verkehrsanwalts oder eines Terminsvertreters), es sei denn, dass sie gleichfalls an dem Wertfestsetzungsverfahren teilnehmen.

Die Wertfestsetzung gemäß § 33 RVG ist nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

1. Der RA muss in einem gerichtlichen Verfahren tätig geworden sein.
2.
a) Die Gebühren des RA können nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert nicht berechnet werden oder
b) es fehlt ein Wert für die Gerichtsgebühren, da das gerichtliche Verfahren gebührenfrei ist oder wertunabhängige Gebühren dafür berechnet werden.
3. Das Wertfestsetzungsverfahren gemäß § 33 RVG wird nur auf Antrag eingeleitet (nie von Amts wegen).
4. Der Antrag auf Einleitung des Wertfestsetzungsverfahrens ist erst zulässig, wenn für den RA die Vergütung fällig ist (§ 8 RVG).
5. Antragsberechtigt sind der RA, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und bei Gewährung von Prozesskostenhilfe auch die Staatskasse (§ 33 Abs. 2 RVG).
 

Rz. 127

 

Hinweis:

Ist der RA überhaupt nicht in einem gerichtlichen Verfahren tätig gewesen, dann ist eine Wertfestsetzung nicht zulässig. Der RA muss dann den Gegenstandswert im Rahmen einer Gebührenklage vom Prozessgericht ermitteln lassen. Auch ein Antrag auf Vergütungsfestsetzung gemäß § 11 RVG ist in diesem Fall nicht möglich, da auch hierfür ein gerichtliches Verfahren die Voraussetzung ist (siehe § 11 Abs. 1 RVG und in § 2 Rdn 82 ff.).

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