Rz. 4

Das RVG kennt also bis auf wenige hilfsweise anzuwendende Vorschriften keine eigenen Wertberechnungsvorschriften. Für gerichtliche Verfahren verweist § 23 Abs. 1 RVG auf die für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften. Sie werden nun sehr richtig vermuten, dass diese Vorschriften im GKG enthalten sein werden. Schlagen Sie dieses Gesetz bitte jetzt auf.

Sie werden feststellen, dass auch das GKG noch nicht alle Regeln enthält, die zur Ermittlung des Gegenstandswertes notwendig sind, da in § 48 Abs. 1 S. 1 GKG gesagt ist, dass für die Wertberechnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die §§ 3 bis 9 der ZPO gelten, soweit das GKG in seinen sonstigen Wertvorschriften keine anderen Bestimmungen enthält. Die vorstehend genannten Wertvorschriften der ZPO sind also – je nach Fall – auch zur Wertermittlung heranzuziehen. Auch einige andere Gesetze können Wertbestimmungen enthalten, so z. B. § 182 InsO.

 

Rz. 5

In Familiensachen (z. B. Ehescheidung und Folgesachen) werden die Werte nur nach den §§ 33 bis 52 FamGKG bestimmt. Die Werte werden dort Verfahrenswert genannt.

An dieser Stelle wird es angebracht sein, Ordnung in diese etwas verwirrende Anzahl der in verschiedenen Gesetzen enthaltenen und teilweise sogar miteinander konkurrierenden Wertvorschriften zu bringen. Dazu ist es notwendig, den Begriff "Wert" nach den in den einzelnen Gesetzen unterschiedlichen Anwendungsarten zu unterteilen, denn jedes Gesetz verwendet sozusagen seinen eigenen Wertbegriff.

1. Die Arten des Wertes im Zivilprozess und im Gebührenrecht

 

Rz. 6

Ein "Wert" wird sowohl im Verfahrensrecht als auch im Kostenrecht zu verschiedenen Zwecken benötigt. Diese unterschiedlichen Arten des Wertes sollen zunächst einmal in nachstehender Übersicht dargestellt werden.

Übersicht: Arten des Wertes

Man muss sich über die verschiedenen Aufgaben der einzelnen Arten des Streitwertes im Klaren sein, damit man den Streitwert jeweils im Hinblick auf seinen Zweck und auf die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften richtig bestimmen kann. Die Bedeutung dieser unterschiedlichen Arten des Wertes als Streitwert zur Verfahrenslenkung und für das Gebührenrecht sollen deshalb in Rdn 7 ff. erläutert werden.

2. Die Bedeutung des Wertes als Streitwert zur Verfahrenslenkung im Zivilprozess

 

Rz. 7

Vorstehend wurden unter Rdn 6 fünf Arten des Streitwertes zur Verfahrenslenkung nach den Wertvorschriften der ZPO vorgestellt. Drei davon werden in der ZPO sogar schon ganz am Anfang beschrieben. In § 2 ZPO sind diese drei Arten aufgeführt:

Zuständigkeitsstreitwert ("Wert des Streitgegenstandes")
Rechtsmittelstreitwert (Wert "des Beschwerdegegenstandes", "der Beschwer")
Verurteilungsstreitwert (Wert "der Verurteilung")

Neben diesen drei wichtigsten Unterscheidungen des verfahrensrechtlichen Streitwertes werden an späterer Stelle in der ZPO noch der Bagatellstreitwert (§ 495a ZPO) und der Vollstreckungsstreitwert für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek (§ 866 Abs. 3 ZPO) normiert.

Die unterschiedliche Bedeutung dieser fünf Streitwertarten wird nachfolgend behandelt.

a) Der Zuständigkeitsstreitwert

 

Rz. 8

Der Zuständigkeitsstreitwert ist zu der Entscheidung zu berechnen, ob eine Klage im ersten Rechtszug beim Amtsgericht oder beim Landgericht einzureichen ist. Die sachliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in erster Instanz ist in den §§ 23 Ziff. 1, 71 Abs. 1 GVG geregelt. Demnach beträgt die so genannte Anfangsklagesumme für das Landgericht 5.000,01 Euro.

Der Zuständigkeitsstreitwert ist gemäß § 2 ZPO nach den §§ 3 bis 9 ZPO zu bestimmen.

Beachten Sie, dass in fast allen Fällen der Streitwert über die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Landgerichts in erster Instanz entscheidet. Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes werden nur ganz bestimmte Streitigkeiten entweder den Amtsgerichten oder den Landgerichten zugewiesen:

Die Amtsgerichte sind z. B. zuständig für alle Mietstreitigkeiten über Wohnräume, Streitigkeiten wegen Wildschäden (§ 23 Ziff. 2 GVG) und Familiensachen (§ 23a GVG).
Zur ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte gehören z. B. Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung gegen Richter und Beamte (§ 71 Abs. 2 Ziff. 2 GVG), Streitigkeiten zwischen Notaren und Notarvertretern (§ 42 BNotO), die Auflösung einer GmbH durch Urteil (§ 61 Abs. 3 GmbHG) oder Klagen auf Unterlassung bzw. Widerruf Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 1, 6 Unterlassungsklagengesetz).
 

Beispiel:

Althans klagt gegen Jungheinrich auf Zahlung von 2.000,00 EUR wegen Kaufpreisforderung und auf Zahlung von 3.000,00 EUR wegen Schadenersatzforderung. Da beide Klageforderungen beziffert sind, ergibt sich im Prinzip kein Problem bei der Ermittlung des Zuständigkeitsstreitwertes, man muss nur wissen, dass nach den §§ 2, 5 ZPO die beiden in einer Klage geltend gemachten Ansprüche addiert werden. Bei einem zusammengerechneten Zuständigkeitsstreitwert von genau 5.000,00 EUR ist also noch das Amtsgericht für die Klage zuständig (§ 23 Ziff. 1 GVG).

 

Merke:

Der Zuständigkeitsstreitwert dient zur Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Landgerichts in erster Instanz und wird nach den §§ 3 bis 9 ZPO bestimmt. Er erg...

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