Rz. 7

Vorstehend wurden unter Rdn 6 fünf Arten des Streitwertes zur Verfahrenslenkung nach den Wertvorschriften der ZPO vorgestellt. Drei davon werden in der ZPO sogar schon ganz am Anfang beschrieben. In § 2 ZPO sind diese drei Arten aufgeführt:

Zuständigkeitsstreitwert ("Wert des Streitgegenstandes")
Rechtsmittelstreitwert (Wert "des Beschwerdegegenstandes", "der Beschwer")
Verurteilungsstreitwert (Wert "der Verurteilung")

Neben diesen drei wichtigsten Unterscheidungen des verfahrensrechtlichen Streitwertes werden an späterer Stelle in der ZPO noch der Bagatellstreitwert (§ 495a ZPO) und der Vollstreckungsstreitwert für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek (§ 866 Abs. 3 ZPO) normiert.

Die unterschiedliche Bedeutung dieser fünf Streitwertarten wird nachfolgend behandelt.

a) Der Zuständigkeitsstreitwert

 

Rz. 8

Der Zuständigkeitsstreitwert ist zu der Entscheidung zu berechnen, ob eine Klage im ersten Rechtszug beim Amtsgericht oder beim Landgericht einzureichen ist. Die sachliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in erster Instanz ist in den §§ 23 Ziff. 1, 71 Abs. 1 GVG geregelt. Demnach beträgt die so genannte Anfangsklagesumme für das Landgericht 5.000,01 Euro.

Der Zuständigkeitsstreitwert ist gemäß § 2 ZPO nach den §§ 3 bis 9 ZPO zu bestimmen.

Beachten Sie, dass in fast allen Fällen der Streitwert über die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Landgerichts in erster Instanz entscheidet. Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes werden nur ganz bestimmte Streitigkeiten entweder den Amtsgerichten oder den Landgerichten zugewiesen:

Die Amtsgerichte sind z. B. zuständig für alle Mietstreitigkeiten über Wohnräume, Streitigkeiten wegen Wildschäden (§ 23 Ziff. 2 GVG) und Familiensachen (§ 23a GVG).
Zur ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte gehören z. B. Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung gegen Richter und Beamte (§ 71 Abs. 2 Ziff. 2 GVG), Streitigkeiten zwischen Notaren und Notarvertretern (§ 42 BNotO), die Auflösung einer GmbH durch Urteil (§ 61 Abs. 3 GmbHG) oder Klagen auf Unterlassung bzw. Widerruf Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 1, 6 Unterlassungsklagengesetz).
 

Beispiel:

Althans klagt gegen Jungheinrich auf Zahlung von 2.000,00 EUR wegen Kaufpreisforderung und auf Zahlung von 3.000,00 EUR wegen Schadenersatzforderung. Da beide Klageforderungen beziffert sind, ergibt sich im Prinzip kein Problem bei der Ermittlung des Zuständigkeitsstreitwertes, man muss nur wissen, dass nach den §§ 2, 5 ZPO die beiden in einer Klage geltend gemachten Ansprüche addiert werden. Bei einem zusammengerechneten Zuständigkeitsstreitwert von genau 5.000,00 EUR ist also noch das Amtsgericht für die Klage zuständig (§ 23 Ziff. 1 GVG).

 

Merke:

Der Zuständigkeitsstreitwert dient zur Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Landgerichts in erster Instanz und wird nach den §§ 3 bis 9 ZPO bestimmt. Er ergibt sich in der Regel aus dem Klageantrag.

b) Der Rechtsmittelstreitwert

 

Rz. 9

Der Rechtsmittelstreitwert entscheidet in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Einlegung eines gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Rechtsmittels. Den Rechtsmittelstreitwert bezeichnet § 2 ZPO als "Wert der Beschwer" bzw. als "Wert des Beschwerdegegenstands" und hebt ihn damit für die Rechtsmittelinstanzen vom "Wert des Streitgegenstandes" als Zuständigkeitsstreitwert für die erste Instanz ab.

 

Rz. 10

Gemäß § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO ist die Berufung nur zulässig, wenn der "Wert des Beschwerdegegenstandes" 600 Euro übersteigt. Eine Ausnahme davon wird nach § 511 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 4 ZPO gemacht, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Fortbildung des Rechts bzw. einer einheitlichen Rechtsprechung dient.

Der gleiche Wert (600 Euro) gilt für die (sofortige) Beschwerde in vermögensrechtlichen Familiensachen gemäß § 61 FamFG. Auch hier kann bei grundsätzlicher Bedeutung der Sache eine Zulassung der Beschwerde bei einem niedrigeren Verfahrenswert erfolgen. In Familiensachen tritt sozusagen die (sofortige) Beschwerde an die Stelle der Berufung im Zivilprozess.

 

Rz. 11

Gemäß § 567 Abs. 2 ZPO ist eine sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten nur zulässig, wenn ein dort bestimmter "Wert des Beschwerdegegenstandes" überstiegen wird; dieser Wert beträgt 200 Euro. Dies betrifft im Wesentlichen sofortige Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse (vgl. § 1 Rdn 70 ff.) und gegen Entscheidungen über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen.

Nach der Bestimmung des § 2 ZPO ist der Rechtsmittelstreitwert gemäß den §§ 3 bis 9 ZPO zu ermitteln.

 

Rz. 12

Voraussetzung für das Einlegen eines Rechtsmittels ist, das derjenige, der das Rechtsmittel einlegt, "beschwert" ist. "Beschwer" bedeutet, dass die Entscheidung, die angefochten werden soll, für denjenigen, der das Rechtsmittel einlegt, ungünstig ist. Das ist dann der Fall, wenn man etwas bei Gericht beantragt hat, was dann vom Gericht versagt wird. Die "Beschwer" ist also der Gegenstand, um den eine Partei durch eine gerichtliche Entsche...

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