Rz. 76

Man spricht von wechselseitigen Rechtsmitteln, wenn von beiden Parteien gegen dasselbe Urteil jeweils ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies kann durch jede Partei entweder selbstständig oder im Wege der Anschließung an das vom Gegner bereits eingelegte Rechtsmittel geschehen. Zu den Rechtsmitteln gehören bekanntlich neben Berufung und Revision auch die Beschwerde.

Auch bei wechselseitigen Rechtsmitteln gelten gemäß § 45 Abs. 2 GKG die in § 45 Abs. 1 S. 1 und 3 GKG aufgestellten Grundsätze, sodass wechselseitige Rechtsmittel in gebührenrechtlicher Hinsicht wie Klage und Widerklage zu behandeln sind (siehe Rdn 71 ff.). Betreffen also die von beiden Parteien eingelegten Rechtsmittel denselben Streitgegenstand, so bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach dem einfachen Wert dieses Gegenstands (bzw. dem höheren von einer Partei geltend gemachten Wert); betreffen die wechselseitigen Rechtsmittel verschiedene Streitgegenstände, so sind deren Werte zusammenzurechnen. Verschiedene Streitgegenstände liegen auch dann vor, wenn sich die Rechtsmittelanträge der Parteien auf verschiedene Teile derselben Forderung beziehen. Voraussetzung ist, dass über beide Rechtsmittelanträge in einem Verfahren verhandelt wird.

Im Berufungs- und im Revisionsverfahren bestimmt sich der Streitwert grundsätzlich nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG). Bei wechselseitigen Rechtsmitteln kommt es auf beide Anträge an.

 

Beispiel:

Klingmann verklagt den Bohne auf Zahlung von 10.000,00 EUR. Das Gericht der ersten Instanz gibt in seinem Urteil der Klage in Höhe von 6.000,00 EUR statt und weist sie wegen der restlichen 4.000,00 EUR ab.

Klingmann legt wegen der abgewiesenen 4.000,00 EUR Berufung ein und Bohne wegen der Verurteilung zur Zahlung von 6.000,00 EUR.

Der Gebührenstreitwert der Berufungsinstanz ergibt sich aus der Addition der Werte beider Berufungsanträge (§§ 45 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 S. 1 GKG) und beträgt folglich 10.000,00 EUR. Die Zusammenrechnung ist vorzunehmen, weil die beiden Berufungsanträge sich auf verschiedene Teile derselben Forderung beziehen, über die das Berufungsgericht letztlich insgesamt entscheiden muss.

 

Beispiel:

Kuppe verklagt Brosius und Bertram als Gesamtschuldner auf Zahlung von 5.000,00 EUR. Das Gericht der ersten Instanz gibt in seinem Urteil der Klage gegen Brosius in voller Höhe statt und weist sie gegen Bertram ab.

Kuppe legt Berufung wegen der Abweisung seiner Forderung gegen Bertram ein und Brosius legt Berufung wegen der Verurteilung zur Zahlung der 5.000,00 EUR ein.

Der Gebührenstreitwert der Berufungsinstanz beträgt 5.000,00 EUR gemäß den §§ 45 Abs. 1 S. 1 und 3 und Abs. 2, 47 Abs. 1 S. 1 GKG. Eine Zusammenrechnung findet nicht statt, da es sich um denselben Streitgegenstand (die 5.000,00 EUR) handelt.

 

Merke:

Derselbe Gegenstand von wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln liegt vor, wenn das Gericht bei Zuerkennung des Anspruches der einen Partei der anderen Partei deren Anspruch zwangsläufig aberkennen muss. Dann besteht ein Additionsverbot für die Werte der wechselseitig eingelegten Rechtsmittel.

Verschiedene Gegenstände von wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln liegen vor, wenn das Gericht beiden Rechtsmittelanträgen stattgeben könnte. Dann besteht ein Additionsgebot für die Werte der wechselseitig eingelegten Rechtsmittel.

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