Rz. 24

 

Beispiele

(1) Die Ehefrau bittet, den Ehemann wegen eines Unterhaltsrückstands anzuschreiben. Dies geschieht. Sie bestätigt gegenüber dem Anwalt, dass sie die Summe erhalten hat, es wird abgerechnet. Nach zwei Monaten ist die Mandantin wieder da, der Ehepartner ist erneut in Rückstand geraten, er soll wiederum angeschrieben werden.[18]
(2) Der Ehemann verspricht Zahlung der Unterhaltsrückstände, die Ehefrau bittet, die Sache vorläufig ruhen zu lassen und kommt schließlich wieder, weil entgegen der Zusage die Rückstände nicht bezahlt wurden.
(3) Der Mandant erklärt, man habe sich ausgesöhnt, der Anwalt solle abrechnen, die Sache sei erledigt; später kommt er wieder, weil es mit der Versöhnung nicht auf die Dauer geklappt hat.[19]
(4) Der Ehemann war wegen des laufenden Unterhalts vom Anwalt angeschrieben worden. Noch bevor das Mandat beendet ist, kommt die Mandantin wieder, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Der Gegner ist arbeitslos geworden, es kann nur noch ein geringerer Unterhalt geltend gemacht werden.
(5) Der Anwalt kündigt das laufende Mandat, weil der Vorschuss nicht bezahlt wird. Er nimmt die Tätigkeit wieder auf, nachdem der Vorschuss eingeht.
 

Rz. 25

§ 15 Abs. 5 RVG unterscheidet die Angelegenheit (die nicht erledigt ist) vom Auftrag = Mandat, das erledigt wurde und dann doch weiter geführt wird. Ein solcher Hergang kommt außergerichtlich wie auch gerichtlich vor.

 

Rz. 26

Im Beispiel (5) ist das Mandat beendet. Wenn der Anwalt wieder tätig wird, ist das grundsätzlich ein neues Mandat. § 15 Abs. 5 S. 1 bewirkt aber, dass – auch hier grundsätzlich – keine neuen Gebühren gefordert werden dürfen. Ausnahmsweise dürfen sie gefordert werden, wenn zwischen der Beendigung (Zustellung der Kündigung) und der Wiederaufnahme (erneutes Mandat) mindestens 2 Kalenderjahre liegen (§ 15 Abs. 5 S. 1, S. 2 RVG).

 

Rz. 27

Eine neue Angelegenheit liegt selbstverständlich im Beispiel (1) vor: Der Unterhalt, um den der ursprüngliche Auftrag ging, ist erledigt, weil bezahlt; es ist jetzt ein neuer Unterhaltsrückstand geltend gemacht, also eine andere Forderung und damit ein anderer Gegenstand, d.h. eine andere Angelegenheit. Das ist kein Fall des § 15 Abs. 5. RVG.

 

Rz. 28

Anders ist der Fall (4): Die laufende (!) Angelegenheit hat sich verändert, ist aber keine neue Angelegenheit. Erhöhungen und Ermäßigungen der Forderung ändern nichts an der "Angelegenheit", können aber dazu führen, dass die bisher verdienten Gebühren höher werden.[20]

Problematisch und im Familienrecht nicht selten sind Fälle, wie in den Fällen (2) und (3) geschildert.

Im Fall (2) sollte die Sache "vorläufig ruhen": § 15 Abs. 5 RVG gilt nicht.

Im Fall (3) dagegen war die Angelegenheit und auch der Auftrag erledigt, weil sich die Parteien ausgesöhnt haben und die Rechnung verlangt wurde. Im Fall (3) liegt eine neue Angelegenheit vor, wenn der Mandant wieder kommt. Im Fall (3) ist das Mandat beendet, die Kostenrechnung wunschgemäß erstellt und ggf. das Gericht verständigt. Soll der Anwalt hier wegen Scheiterns der Versöhnung das Verfahren weiter führen, bedarf es eines "Auftrags, weiter tätig zu werden", so dass § 15 Abs. 5 S. 1 RVG eingreift und das Vorliegen von § 15 Abs. 5 S. 2 zu prüfen ist.[21]

 

Rz. 29

 

Zusammenfassend also:

Eine neue Angelegenheit liegt vor, wenn sich die neue Tätigkeit des Anwalts auf andere Gegenstände bezieht oder ein andersartiger Auftrag vorliegt (im Beispiel (1) neuer Gegenstand; neuer andersartiger Auftrag: erst Beratung, dann Vertretung): neue Gebühren evtl. anrechnen.
Ruhen des Verfahrens, Aussetzung, einfaches Nicht-Weiter-Betreiben: keine neue Angelegenheit, aber auch keine neuen Gebühren (gerichtliches Ruhen, gerichtliche Aussetzung; einfaches Nichtbetreiben, wenn Mandant sich nicht rührt oder der Anwalt nicht tätig wird): keine neuen Gebühren, auch nicht nach Ablauf der 2 Kalenderjahre, weil § 15 Abs. 5 RVG nicht einschlägig ist; die Aufforderung an den Anwalt, endlich die Sache voranzutreiben, ist kein "weiterer" Auftrag i.S.d. Bestimmung. Der Anwalt kann mit dieser Sache nicht abschließen, sondern muss sie im Auge behalten.[22]
Fälle des § 15 Abs. 2 RVG: Das Mandat ist – wenn vielleicht auch vorläufig – beendet, obwohl die Angelegenheit selbst nicht beendet ist; wesentlich ist, dass der Anwalt von weiterer Tätigkeit, insbesondere davon, die Sache im Auge zu behalten, befreit ist. Der Mandant möchte zunächst keine weitere Tätigkeit vom Anwalt; möchte er sie wieder, heißt das, dass er erneut tätig werden soll, also ein erneutes Mandat erhält. Das sind die Fälle, in denen der Mandant sich versöhnt oder eine Stundung mit dem Schuldner vereinbart hat; hierher gehört auch der Fall der Mandatskündigung, etwa wegen Nichtzahlung des Vorschusses, wenn dann, wenn der Vorschuss eingegangen ist, das Mandat wieder aufgenommen wird. Alle diese Fälle gehören nach § 15 Abs. 5 S. 1 + 2 RVG.
[18] AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 RVG Rn 282 ff. insbesondere Beispiel in Rn 279; Gerold/Schmidt/Mayer, § 15 RVG Rn 134 ff.
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