Rz. 21

Läuft die Ausschlagungsfrist noch und droht der Nachlass überschuldet oder zumindest wertlos zu sein, geht die Praxis in der Regel den Weg der Ausschlagung. Dies ist das Mittel, zu dem wohl die meisten Rechtsanwälte raten und den die meisten Mandanten wählen. Der Vorteil dieses Vorgehens ist nicht zu leugnen: Der Mandant hat mit der Abwicklung des Nachlasses und der Haftung für den Erblasser im Falle der Wirksamkeit der Ausschlagung nichts mehr zu tun.[34]

 

Hinweis

Etwas anders ist dies im Falle der Anfechtung der Annahme der Erbschaft. Hier muss sich der vorläufige mit dem endgültigen Erben nach §§ 1959, 122 BGB auseinandersetzen (siehe unten Rdn 39 ff.) und sich gegebenenfalls mit jedem einzelnen Nachlassgläubiger über die Wirksamkeit seiner Ausschlagung (gerichtlich) auseinandersetzen (siehe oben Rdn 7).

 

Rz. 22

Ferner ist der Weg in der Regel kostengünstig: Geschäftswert ist der Nettonachlass, §§ 103 Abs. 1, 18 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG. Wird aber die Ausschlagung wegen Überschuldung des Nachlasses erklärt, so ist der Mindestwert nach § 34 GNotKG anzusetzen, sodass eine Mindestgebühr von 15 EUR (§ 34 Abs. 5 GNotKG) entsteht.

 

Rz. 23

Der oft übersehene Nachteil besteht darin, dass der Erbe in diesem Fall überhaupt nichts vom Erblasser erhält, also auch keinerlei Anrecht auf persönliche Gegenstände des Erblassers hat. Denn die Ausschlagung kann sich nach § 1950 BGB grundsätzlich nicht nur auf einen Teil des Nachlasses beziehen. Auch der Anspruch auf den Pflichtteil entfällt – wenn nicht ein Fall des § 2306 BGB vorliegt.[35] Schließlich hat der Ausschlagende keinen Anspruch darauf, Informationen darüber zu erhalten, was mit dem Nachlass des verstorbenen Angehörigen geschieht. Es sollte also im Einzelfall stets mit Sorgfalt geprüft werden, ob die Ausschlagung wirklich den Zielen des Erben in vollem Umfang gerecht wird.

 

Hinweis

Auch herrscht in der Regel Unsicherheit, ob die Anfechtung wirksam ist; denn das Nachlassgericht entscheidet hierüber nicht (siehe schon oben bei der Ausschlagung Rdn 7). Die Entscheidung fällt im Rechtsstreit mit einem jedem Gläubiger gesondert, und/oder im Rahmen der Einziehung eines bereits erteilten Erbscheins oder eines Verfahrens gerichtet auf Neuerteilung eines Erbscheins. Letztere erwächst aber nicht in Rechtkraft, mag aber gegenüber den Gläubigern zumindest zur Substantiierung des Anfechtungsvortrages dienen. Das Nachlassgericht hat aber auch im Erbscheinsverfahren nicht im Rahmen der Amtsermittlung zu erforschen, ob zur Anfechtung berechtigende Tatsachen vorliegen, die der Anfechtende selbst nicht behauptet; werden andere als die in der ursprünglichen Anfechtungserklärung genannten Gründe geltend gemacht, liegt ggf. eine neue Anfechtungserklärung vor, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist.[36]

 

Rz. 24

Der oft standardmäßige gewiesene Weg über die Ausschlagung birgt nicht nur häufig unerwartete Haftungsrisiken, sondern kann auch zu problematischen oder enttäuschenden Ergebnissen führen und sogar teuer werden:[37]

[34] Herzog, ErbR 2013, 70, 71.
[35] Zur Neufassung des § 2306 BGB durch die Erbrechtsreform zum 1.1.2010 siehe Herzog/Lindner, Die Erbrechtsreform 2010, Rn 240 ff.
[37] Herzog, ErbR 2013, 70, 71.

I. Oft: Kettenausschlagung notwendig

 

Rz. 25

Die Ausschlagung bewirkt, dass der Nachlass mit Rückwirkung auf denjenigen übergeht, der zum Erben berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalles nicht gelebt hätte, § 1953 Abs. 1 und 2 BGB. Oft werden das die Kinder des Ausschlagenden sein. Das Haftungsproblem ist durch die Ausschlagung also noch nicht einmal innerhalb der Kernfamilie des Erben gelöst. Vielmehr muss es hier zu einer Kettenausschlagung der engsten Familienangehörigen kommen, bei der insbesondere dann Besonderheiten zu beachten sind, wenn noch minderjährige Kinder vorhanden sind (hierzu sogleich). Wegen § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB müssen für diese grundsätzlich beide Elternteile in der Form des § 1945 BGB die Ausschlagung erklären. Ferner ist gemäß § 1643 Abs. 2 S. 1 BGB eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich[38] (Ausnahme: § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB).[39] Hiervon muss der gesetzliche Vertreter auch Gebrauch machen.[40] §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1, 2 BGB stehen nicht entgegen, da es sich um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Für die Hemmung der Frist gilt § 206 BGB analog.[41]

 

Rz. 26

Der Nachlass fällt schließlich irgendwelchen weiter entfernten Verwandten an. Diese haben nun Einblick in die Vermögensverhältnisse des Erblassers und erfahren schließlich von der Überschuldung des Nachlasses. Sie erhalten also Einblicke in Familieninterna, die der Erblasser und seine Kernfamilie ihnen oft nicht gewähren wollen. Außerdem werden sie spätestens jetzt nicht mehr – wie wohl zunächst – darüber beglückt sein, dass sie geerbt haben, da der Erblasser ihnen einen – wie sie jetzt wissen – überschuldeten Nachlass hinterlassen hat, und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erbschaft...

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